Zurück bleibt die Vielfalt
Im Zeichen des Panthers: die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke | Folge 4 |
Im Jahr 2000 wurde der Anwaltsmarkt durcheinander gewirbelt wie selten zuvor, eine Fusion und Neuformierung jagte die nächste. Inzwischen ist das Fusionsfieber abgeklungen. Geblieben ist ein unüberschaubarer Markt zwischen transatlantisch arbeitenden Großkanzleien und einer Vielzahl von kleinen Kanzleien.
Allein im Jahr 2000 wurden mehrere
spektakuläre Fusionen bekannt gegeben: Boesebeck Droste tat sich
mit Lovells zusammen, Bruckhaus Westrick Heller Löber mit
Freshfields und Oppenhoff & Rädler fusionierte mit der
britischen Law Firm Linklaters. Andere deutsche Traditionskanzleien
vermochten dem Fusionsdruck nicht standzuhalten. So auch die
frühere Hauskanzlei der Daimler AG, Schilling, Zutt & Anschütz,
die im Konflikt um die Internationalisierung auseinander brach. Im
Juni 2000 war Schluss, die Anwälte wechselten zu einem Teil zu der
britischen Sozietät Allen & Overy, zum anderen zu Shearman
& Sterling. Man kannte sich ja bereits von den Verhandlungen
beim DaimlerChrysler-Deal.
 Das wirbelte den Anwaltsmarkt durcheinander. "Die Ranglisten
der größten Sozietäten müssen in rascher Folge geändert werden, da
durch die Zusammenschlüsse neue große Einheiten entstehen",
notierte der bereits zitierte Branchenführer. Die größten deutschen
Wirtschaftskanzleien firmieren nun unter deutsch-britischen
Namenskombinationen: Freshfields Bruckhaus Deringer, Clifford
Chance Pünder und Linklaters Oppenhoff Rädler, wobei indes nur die
zuerst genannte Großkanzlei auch im britischen Stammland den neuen
Namen trägt. Das ist einer der Gründe, die den Branchenkenner
Tobias Freudenberg an der offiziellen verbreiteten Version der
Fusion gleichberechtigter Partner zweifeln lassen. Er spricht aus,
was sich andere nur hinter vorgehaltener Hand zuflüstern: "Es wurde
nicht zu Unrecht gemunkelt, dass diese Fusionen in Wahrheit
Übernahmen waren. Dafür sprechen auch die Zahlenverhältnisse - die
englischen und amerikanischen Anwälte sind klar in der Überzahl",
meint Freudenberg. "Das waren keine Fusionen unter Gleichen, wie
das nach außen verkauft wird."
 Doch sind es nicht nur die Law Firms, die den Markt
umkrempeln und die Spielregeln neu definieren. Zu den Angreifern
gehören auch die Big Five der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Arthur Andersen, KPMG, Deloitte Touche Tohmatsu,
PricewaterhouseCoopers und Ernst & Young gliedern sich
Anwaltsgesellschaften ein und dringen auf den lukrativen Markt der
Rechtsberatung für Unternehmen vor. 2001 erst sorgte die Übernahme
der renommierten Kanzlei Beiten Burkhardt durch KPMG für
Schlagzeilen in den Branchenblättern.
Unruhe im Markt.
  Beinahe so schnell wie der
  Aktienrausch am Neuen Markt legte sich auch das Fusionsfieber
  unter den Wirtschaftskanzleien. In der Branche spricht man
  bereits von einer Konsolidierung. Auch war der Trend zur
  Internationalisierung nicht so dominant, wie es die großen
  spektakulären Fusionen glauben machen wollten. Zwar wirbelte er
  die Top 20 unter den deutschen Wirtschaftskanzleien gehörig
  durcheinander, doch arbeiten hier gerade mal vier Prozent der gut
  110.000 zugelassenen deutschen Anwälte. Zudem war ein
  gegenläufiger Trend nicht zu übersehen. Etliche Partner aus
  fusionswilligen deutschen Kanzleien wollten die englische
  Kanzleikultur nicht akzeptieren und schieden aus, um
  eigenständige Sozietäten zu gründen. Nicht zuletzt ließen die
  Großfusionen in der Wirtschaft ein schiefes Bild vom
  Arbeitsalltag der Wirtschaftsjuristen entstehen. Merger &
  Acquisitions (M&A), das Fusionieren und Kaufen von
  Unternehmen, gilt zwar als deren Königsdisziplin, ihr
  Brot-und-Butter-Geschäft ist es gleichwohl nicht.
  
Dennoch ist es nicht mehr wie vorher. Nachdem der Sturm
  sich gelegt hat, bietet sich ein eher unübersichtliches Bild. In
  der Branche spricht man von einer Spaltung des Marktes: Auf der
  einen Seite die internationalen Großkanzleien, die ihre Mandanten
  in erster Linie unter international agierenden Großunternehmen
  finden. Auf der anderen Seite die vielen kleinen und mittleren
  Kanzleien, "in denen der Chef noch selbst kocht", wie gewitzelt
  wird, und die so genannten "Boutiquen", die sich auf bestimmte,
  eng umgrenzte Rechtsgebiete spezialisieren.
  
Gewachsen ist somit die Vielfalt - und gewachsen ist auch
  die Konkurrenz. Großkanzleien werben mit internationalen
  Kontakten und Know-how, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit
  integrierter Beratung, spezialisierte Boutiquen mit ihrer
  gebündelten Fachkompetenz - und die vielen kleinen Kanzleien
  wiederum mit der persönlichen Beziehung zwischen Anwalt und
  Mandant. Die indes ist nicht mehr so dauerhaft wie noch vor
  wenigen Jahren, gerade im Wirtschaftsrecht. "Es ist Unruhe im
  Markt", bringt Fachjournalist Freudenberg die Situation auf den
  Punkt. "Die klassische Haus- und Hof-Kanzlei, die quasi als
  ausgelagerte Rechtsabteilung für ein Unternehmen arbeitet, ist
  auf dem Rückzug. Die großen Unternehmen verteilen die Mandate auf
  mehrere Kanzleien und verhandeln härter um die Honorare." Nicht
  selten lassen die Firmen um ein Mandat konkurrierende Kanzleien
  in einem Präsentationstermin gegeneinander antreten. "Beauty
  Contest" sagt man im Branchenjargon dazu.
  
In diesem Klima von Fusionen, Abspaltungen, Neuformierungen
  und wachsender Konkurrenz hat auch die Gründung der Sozietät
  Osborne Clarke ihre Wurzeln. Darüber mehr in der nächsten
  Folge.
Folge 5 erscheint kommenden Montag.
 
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Folgen.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Mit einer Illustration von Limo Lechner.
© changeX [04.03.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.



