"Es war wirklich abenteuerlich"
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 7 |
Februar 2001. Die Fusion von Osborne Clarke und der Sozietät Graf von Westphalen ist gescheitert. Osborne Clarke beschließt, mit drei Partnern einer renommierten Frankfurter Sozietät ein eigenes Büro in der Bankmetropole zu eröffnen. Eine Gründung? Eine Übernahme? Oder die Expansion einer weiteren "UK Law Firm" auf den deutschen Markt?
  
  "Ja, man könnte das als Übernahme
  sehen." Bedächtig wägt Adrian Taylor die Worte. "Aber so ist es
  nicht", fügt er hinzu. "Ich würde das eine Gründung nennen." Es
  ist Abend geworden im Frankfurter Großraumbüro von Osborne
  Clarke. Die Mitarbeiter sind gegangen, einige bereits am
  Nachmittag. Zu einer betrieblichen Fortbildung,
  Englischunterricht. Nur die Anwälte sind noch da. Jörg Bausch
  arbeitet an einem dringlichen Fall, Adrian Taylor, Peter Bert und
  Hassan Sohbi erwarten einen Referendar zu einem
  Vorstellungsgespräch. Und sie haben sich Zeit genommen, über das
  zu berichten, was sie "die Gründung" nennen: den Aufbau des
  Frankfurter Büros von Osborne Clarke. Der wäre zwar ohne die
  Unterstützung der englischen Mutterfirma nicht möglich gewesen,
  aber eben auch nicht ohne die Aufbauleistung der vier Anwälte. In
  der Tat ist das, was sie erzählen, eine jener
  Start-up-Geschichten, die von unfertigen Büroräumen, nicht
  funktionierenden Telefonen und Improvisation als
  Überlebensstrategie handeln. Aber es ist nicht die Geschichte von
  einem britischen Mutterkonzern, der mit dickem Scheckbuch
  Spitzenanwälte abwirbt, um ihnen einen gemachten Arbeitsplatz in
  einem Glas- und Chrom-Büro in einem der Bürotürme Mainhattans
  anzubieten.
Von Null an aufbauen.
Diese Option hätten die jungen Anwälte indes auch gehabt. "Alle naselang" habe ein Headhunter angerufen, erinnert sich Peter Bert an den Spätherbst des Jahres 2000. Der Anwaltsmarkt war überhitzt, Fusionen und Übernahmen waren an der Tagesordnung. In der Kanzlei Coudert Schürmann, in der Bert Partner war, kriselte es. Osborne Clarke war für den jungen Anwalt indes die einzige Option, bei der es nicht bei einem losen Kontaktgespräch blieb. Ihm gefielen die "klare strategische Ausrichtung" der Sozietät und die große Gestaltungsfreiheit, die die Engländer den Deutschen einräumten. Das traf sich mit seinen Interessen. "Wahrscheinlich träumt jeder Anwalt davon, irgendwann sein eigenes Büro aufzumachen", sagt er, und das habe man, in gewissem Umfang zumindest, auch getan. "Hier war Tabula rasa", erinnert er sich. "Der Reiz, etwas von Null an aufzubauen", war für ihn das ausschlaggebende Motiv, einen Neustart zu wagen.
Keine Deutschenfresser.
  Ähnlich war es für Hassan Sohbi,
  der zusammen mit Bert mehrere Jahre bei Coudert Schürmann
  gearbeitet hat. Der 39-jährige Anwalt ist im Südjemen als Sohn
  eines Jemeniten und einer Deutschen geboren. Im Alter von zwölf
  Jahren kam er nach Deutschland, machte hier sein Abitur und
  studierte zunächst Wirtschaftswissenschaften, um dann ein
  Jurastudium anzuhängen und als Anwalt in die Fußstapfen seines
  Vaters zu treten. Wichtig sind ihm die internationale Ausrichtung
  der Kanzlei und der freundschaftliche und entspannte Umgang mit
  den Kollegen. Beides fand er bei dem englischen Partner, mit dem
  sich schnell eine vertrauensvolle Kooperation entwickelt habe.
  Die Gesprächspartner aus dem Management Board von Osborne Clarke
  hätten sich "viel Mühe gegeben, deutlich zu machen, dass sie
  keine Deutsche fressenden Engländer sind", schmunzelt Sohbi.
  
Als die geplante Fusion von Osborne und Westphalen
  scheiterte, waren sich die vier Anwälte schnell einig, auf eigene
  Faust ein deutsches Büro der englischen Anwaltsfirma aufzubauen.
  Mit dabei waren fünf Mitarbeiter aus dem Büro von Coudert
  Schürmann. Osborne Clarke unterstützte das Vorhaben mit Krediten,
  Know-how und technischer Hilfestellung, vor allem bei der
  aufwändigen Informationstechnik.
Alles geliehen.
  Nach dem Platzen der Fusionspläne
  musste alles schnell gehen. Während die drei Anwälte noch bei der
  alten Firma arbeiteten, machte sich Adrian Taylor auf die Suche
  nach Büroräumen. Der Immobilienmarkt war leergefegt, und so fiel
  die Entscheidung für die langgestreckte Büroetage in der
  Fürstenbergerstraße nicht schwer. In der zweiten Aprilwoche waren
  die neuen Räume mehr oder weniger bezugsfertig - nur mit dem
  Telefonanschluss und den bestellten Möbeln haperte es. "Deutsche
  Lieferzeiten und Deutsche Telekom", sagt Adrian Taylor und
  verdreht ein wenig die Augen. "Wir saßen auf geliehenen Möbeln
  und hatten drei ISDN-Leitungen, die unser Vermieter leihweise zur
  Verfügung gestellt hat", erinnert sich Peter Bert. Für die
  Anwälte, die es gewohnt waren, in einer wohl organisierten
  Kanzlei zu arbeiten, eine völlig neue Situation. Während dort von
  dem Blumengesteck am Empfang bis zur Ersatzrolle Toilettenpapier
  auf der Toilette für alles gesorgt war, mussten sie nun alles
  selbst organisieren. Wir haben alle unterschätzt, wie viel man an
  Aufbauleistung erbringen muss", resümiert Peter Bert, "aber das
  hat uns ungemein zusammengeschweißt."
  
"Die ersten Wochen waren wirklich abenteuerlich", sagt
  Adrian Taylor. Und Hassan Sohbi konkretisiert: "Wir mussten sehr
  viel improvisieren, selbst organisieren und selbst Erfahrungen
  sammeln." Für ihn lag der Reiz der Unternehmung darin, "etwas
  komplett Neues zu probieren und zu sehen, wie etwas daraus wird -
  oder auch nicht".
Knatsch in Köln.
  Es wurde, aber gewiss war das
  keineswegs. Eher ähnelte die Gründung einem Blindflug. Keine
  Sicherheit, ein völlig neues, unbekanntes Terrain und völlig neue
  Strukturen. Großraumbüro, arbeiten in Teams - keiner wusste, ob
  es klappen würde. Keiner konnte sagen, ob der englische Name
  deutsche Mandanten abschrecken würde. Zudem war ungewiss, ob das
  Frankfurter Büro das einzige Standbein der Engländer auf dem
  deutschen Markt bleiben würde. Das Risiko war groß, zu klein zu
  bleiben.
  
Bereits in der Gründungsphase zeichnete sich jedoch schon
  ab, dass die gescheiterten Fusionspläne weitere Turbulenzen nach
  sich zogen. Im Kölner Westphalen-Büro traten nun die
  unterschiedlichen Auffassungen über die Strategie und die
  Positionierung der Kanzlei offen zutage. Vor allem die jüngeren
  Anwälte, die im Rahmen der Zusammenarbeit mit der englischen
  Sozietät bereits internationale Luft geschnuppert hatten, waren
  nicht bereit, die geplante internationale Anbindung zugunsten
  eines deutschen Mittelstandsmodells preiszugeben. Es kam zu
  ersten Gesprächen mit Osborne Clarke Frankfurt.
  
Um die Gründung des Kölner Büros von Osborne Clarke geht es
  in der nächsten Folge.
Das Bild oben zeigt Adrian Taylor, seit 1997 Leiter des Frankfurter Büros von Osborne Clarke.
  
    Folge 8 erscheint am kommenden Montag.
    
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Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Autor, Redakteur & Macher bei changeX.



