Wie ein Chip entsteht

Design und Fertigung eines faszinierenden Produkts.

Mehrere Jahre kann es dauern, einen komplett neuen Chip zu entwerfen und marktreif zu machen. Für die Entwicklungsingenieure bedeutet das: Tüfteln an neuen Konzepten, aufwendige Computersimulationen, spannende Momente, wenn der neue Prototyp zum ersten Mal Lebenszeichen von sich gibt, und nächtelanges Testen. Bis schließlich das Quadratmillimeter große Ergebnis zum Kunden gehen kann.

Mikrochips gehören zu den komplexesten Produkten überhaupt. Halbleiterunternehmen wie Infineon investieren jedes Jahr immense Summen in Forschung und Entwicklung, um mit ihren Innovationen an der vordersten Front der Technik mitmischen zu können und die Leistung ihrer Chips immer weiter zu steigern. Doch in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, wie die im Alltag inzwischen allgegenwärtigen Mikrochips eigentlich entworfen und hergestellt werden. Deshalb gewährt Christian Münker, Entwicklungsingenieur beim Halbleiterunternehmen Infineon Technologies AG, bei einem Interview mit dem changeX-Partnerforum Einblicke in seine Arbeit.

Nehmen wir mal an, es heißt bei Infineon: "Wir brauchen einen neuen Chip, der dies und das kann." Was wird nun angeleiert?
Das ist abhängig davon, ob der Chip das Nachfolgemodell zu einem älteren Modell ist oder ob es ein völlig neues Konzept ist. Bei Nachfolgemodellen kommt es darauf an, mit möglichst wenig Aufwand ein verbessertes Produkt für einen bestehenden Markt zu schaffen und Anregungen des Kunden aufzugreifen. Man versucht, "Design Reuse" zu betreiben, das heißt erprobte Teile des Vorgängermodells wiederzuverwenden, um Entwicklungszeit zu sparen und das Risiko zu minimieren. Bei neuen Konzepten beginnt man mit einer Machbarkeitsstudie. Dazu wird ein kleines Team zusammengestellt. Marketing und System Engineers geben Anregungen, Marktanalysen werden erstellt, Concept Engineers und Entwicklungsingenieure tüfteln und rechnen, ob und wie sich die neue Idee in die Praxis umsetzen lässt. Man macht Literatur- und Patentrecherchen und diskutiert lange und ausgiebig über Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen. Für mich ist das eine der spannendsten Phasen.

Wann können die Verbraucher den Chip frühestens benutzen - wie lange dauert es von der ersten Idee bis zum Einbau in beispielsweise ein Handy?
Bei neuen Konzepten können schon zwei bis drei Jahre ins Land gehen.

Gar nicht so wenig! Was ist dabei der größte "Zeitfresser"?
Nach der Hälfte der Zeit hat man gewöhnlich den ersten Prototypen in der Hand hat. Der Rest wird dann dafür benötigt, dem Chip die Fehler auszutreiben und ihn reif für die Serienproduktion zu machen.

Wie sieht Ihre tägliche Arbeit in der ersten Designphase aus?
Da man nicht einfach Transistoren auf einem Chip zusammenstecken und ausprobieren kann, ist man auf Computersimulationen angewiesen. Das ist ähnlich wie in der Automobilentwicklung - bevor der erste Prototyp auf den Hof rollt, wurden unzählige Varianten bereits am Computer verworfen. Man stimmt sich ständig mit den Teamkollegen ab, Arbeitsphasen am Computer wechseln sich ab mit Diskussionen und theoretischen Überlegungen. Und natürlich braucht man viel Erfahrung, um zu wissen, wie weit man den Simulationen vertrauen kann.

Wie kann man sich die Konstruktionspläne eines Chips vorstellen?
Zunächst entwerfen die Entwicklungsingenieure den Schaltplan, der die "Verdrahtung" des Chips beschreibt. Das sieht sehr ähnlich aus wie die Reparaturpläne eines Fernsehers, die Sie vielleicht schon einmal gesehen haben. Danach müssen die Schaltpläne haarklein in das so genannte "Layout" umgesetzt werden, das ist der Fertigungsplan für den Chip. Man kann das vielleicht am ehesten mit der Aufgabe eines Bauzeichners vergleichen, der die etwas ungenauen Angaben des Architekten in einen exakten Grundriss umsetzen muss, nur dass bei einem Chip 20 "Stockwerke" übereinander liegen. Für den Laien sieht so ein Layout wie ein buntes Gewusel aus: Transistoren, Widerstände, Verbindungen - alles liegt in vielen Ebenen übereinander, die exakt zueinander passen müssen. Das ist die Aufgabe der Layouter, unserer CAD-Spezialisten: Da Chipfläche noch teurer ist als Münchner Grundstücke, müssen sie den Platz möglichst geschickt ausnutzen.

Wenn die Zeichnungen fertig sind, ist der große Moment gekommen: "Tape-Out". Was heißt das, und was passiert dann mit den Design?
"Tape-Out" heißt, das Layout ist fertig gestellt und überprüft und wird in die Produktion zu einem Halbleiterwerk überspielt. Je nach Produkt also nach München, Dresden, Frankreich oder Amerika. Der Begriff "Tape-Out" stammt übrigens noch aus der Zeit, als es keine High-Speed Datenübertragung gab und das Layout auf einem Datenband ins Werk gebracht werden musste. Die Phase vor dem Tape-Out ist bei Entwicklern und Layoutern gleichermaßen gefürchtet - meist gibt es noch kleine Änderungen kurz vor Schluss oder die Rechner stürzen ab und der Abgabetermin rückt näher und näher ... Aus dem Layout werden dann in der Fabrik, der "Fab", Prototypen hergestellt, die nach etwa drei Monaten zu uns zurückkommen.

Was geschieht dann?
In der Zwischenzeit haben wir natürlich nicht auf der faulen Haut gelegen, Testplatinen müssen vorbereitet und Prüfsoftware muss geschrieben werden. Dann kommt der spannende Moment, wenn der Chip das erste Mal in den Testsockel gesteckt, die Stromversorgung eingeschaltet wird und ... nichts passiert. Fast immer gibt es einen Fehler auf der Platine oder in der Software. Manchmal ist auch einfach ein Messgerät nicht richtig angeschlossen. Nach ein bis zwei Wochen Tüfteln und Fluchen gibt der Chip dann erste Lebenszeichen von sich und wir können anfangen, die Funktionen zu überprüfen oder Fehler zu suchen.

In dieser Phase sind Sie wahrscheinlich schon stark unter Zeitdruck, weil die Kunden warten, oder?
Nun, es ist sehr selten, dass ein Chip auf Anhieb korrekt funktioniert. Üblicherweise sind noch ein bis zwei "Redesign-Zyklen" notwendig: Fehler im Schaltplan und im Layout müssen gefunden und behoben werden, dann gibt es ein neues Tape-Out und neue Prototypen. Diese Zeit wird bei der Projektplanung mit eingerechnet, aber es passiert immer wieder, dass unvorhergesehene Probleme auftreten und die Kunden unruhig werden. Da es eine langwierige Aufgabe ist, mit einem oder mehreren Chips ein komplexes Gerät wie zum Beispiel ein Handy zu entwickeln, werden die Kunden meist schon frühzeitig in die Entwicklung mit einbezogen und bekommen schon "Vorabexemplare", die noch nicht zu 100 Prozent den Anforderungen entsprechen.

Nach dem Testen geht der Chip also in die Fertigung. Wie kann man sich den Herstellungsprozess vorstellen?
Im Halbleiterwerk werden aus den Layoutdaten die so genannten Masken erstellt - das sind eine Art Dias, mit denen die Pläne auf phototechnischem Weg Ebene für Ebene auf die Siliziumscheiben, die so genannten "Wafer", übertragen werden. In modernen Technologien werden über 20 Masken für einen Wafer benötigt, und ein solcher Maskensatz kostet weit über 100.000 Euro. Nach jeder Belichtung durchlaufen die Wafer andere Fertigungsschritte, wie Ätzen, Polieren, Metallisieren. In Kassetten mit je 25 Wafern werden die Siliziumscheiben durch die Fertigungslinie geschleust, ähnlich wie Autos auf einem Fließband. Durch die vielen Fertigungsschritte - über 100 pro Wafer - dauert es zwei Monate oder länger, bis die Chips schließlich geprüft und fertig verpackt ausgeliefert werden können.

Auf Bildern sehen die Mitarbeiter in der Fertigung aus, als trügen sie Raumanzüge. Warum?
Die Strukturen auf den Chips sind heutzutage so fein, dass ein Haar ein paar hundert Transistoren nebeneinander zudecken könnte. Deshalb muss die Luft in den Fertigungshallen extrem sauber gehalten werden, man spricht auch von "Reinraumatmosphäre". Pro Kubikmeter Luft dürfen nur einige wenige Staubpartikel darin schweben. Zum Vergleich: normale Stadtluft enthält über 100.000 Partikel pro Kubikmeter. Wenn während der Fertigung ein Staubkorn auf einen Chip fällt, ist er meist nicht mehr funktionsfähig. Und wenn bei jedem von 100 Fertigungsschritten auch nur ein Prozent der Chips fehlerhaft werden, fallen zum Schluss zwei Drittel der Chips aus! Einmal auf den Wafer geniest, und das war's ... Rauchen - auch in der Pause - ist den Mitarbeitern in der Fertigung natürlich auch streng verboten.

Wie viele Chips kann man aus einem Wafer herstellen?
Auf eine dieser Siliziumscheiben passen einige 100 bis einige 1.000 Chips, je nachdem. Ein Chip kann nämlich wenige Quadratmillimeter oder auch mehrere 100 groß sein, und auch die Wafer gibt es in verschiedenen Durchmessern zwischen 15 und 30 Zentimeter. Letzteres sind die berühmten "Pizzawafer". Einen fertiger Wafer zu sehen beeindruckt mich immer wieder - die Siliziumscheibe schimmert bläulich oder grünlich im Licht, die Strukturen sind so fein, dass man sie kaum mit dem bloßen Auge erkennen kann.

So einen Wafer sollte man besser nicht fallen lassen, oder? Was kosten sie pro Stück?
Die reinen Produktionskosten für einen fertig prozessierten Wafer betragen einige 1.000 Euro, aber darin sind noch nicht die Entwicklungskosten enthalten.

Nun ist der Chip fertig - wer kümmert sich darum, dass er auch im Gerät des Kunden läuft?
Die System- und Applikationsingenieure, die schon während der Entwicklungszeit in ständigem Kontakt mit dem Kunden waren, helfen Schwierigkeiten in der Anlaufphase und während der Serienfertigung zu überwinden. Sie beantworten Kundenfragen und stellen "Demonstratoren" zur Verfügung, das heißt Platinen, auf denen der Chip zeigen kann, was er so drauf hat, und die dem Kunden helfen sollen, eigene Geräte mit dem Chip zu entwickeln. Bei sehr komplizierten Problemen muss auch schon mal der Entwicklungsingenieur einspringen.

Ein Riesenaufwand. Und das alles für ein Bauteil, das fertig pro Stück oft nur wenige Cent kostet. Wie kommen die Halbleiterfirmen trotz der hohen Entwicklungsinvestitionen überhaupt auf ihre Kosten?
Das hängt von Angebot und Nachfrage ab. Chips für sehr spezielle Anwendungen wie Luft- und Raumfahrt werden vielleicht nur ein paar 1.000-mal benötigt und für einen bestimmten Kunden hergestellt, der bereit ist, 1.000 Euro pro Stück zu bezahlen. Am anderen Ende der Skala stehen Massenprodukte wie Handys oder Computerzubehör - hier liegen die Preise für den Endkunden so niedrig, dass auch die Chips nur ein paar Euro oder weniger kosten dürfen. Dafür werden von diesen Chips manchmal eine Million Stück pro Monat gefertigt.

www.infineon.com
www.campeon.de

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