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Zu spät für Pessimismus

pro zukunft-Buchkolumne 3 | 2024: fünf Titel zum Wandel der Klimadebatte
Rezensionen: Johannes Haunschmid, Hans Holzinger, Carmen Bayer, Clara Buchhorn

Der Eindruck trügt nicht. Es wird anders über den Klimawandel gesprochen. Nicht mehr das Bild der letzten Generation bestimmt die Perspektive, nicht mehr das gescheiterte 1,5-Grad-Ziel setzt den Zeitrahmen. Nein, für Pessimismus ist es zu spät, wie einer der vorgestellten Titel proklamiert. Es geht um pragmatische Schritte, die eine lebenswerte Erde für die nächsten Generationen sichern. Fünf Bücher zeigen seismografisch diesen Wandel in der Klimadebatte an. Vorsichtig noch, aber spürbar.

Die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb schreibt gegen Pessimismus an und motiviert zum Klimaschutz. Ihre Kollegin Friederike Otto rückt die ungleich verteilten Folgen des Klimawandels in den Mittelpunkt und wirft die Frage nach Klimagerechtigkeit auf. Der Zukunftsforscher Werner Mittelstaedt schreibt über Transformationen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Der Wissenschaftskoordinator Felix Heidenreich begründet, warum Nachhaltigkeit und Demokratie gemeinsam gedacht und weiterentwickelt werden müssen. Und der Philosoph Thomas Metzinger schließlich stellt sich den philosophischen und ethischen Fragen, die der Klimawandel aufwirft. Er plädiert in der Konsequenz für eine Bewusstseinskultur, in der Bewusstheit und Meditation unsere Erkenntnismöglichkeiten erweitern.


Wir als Teil der Lösung


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Wie sehen Vergangenheit und Gegenwart des menschengemachten Klimawandels und seiner Facetten aus? Welche Zukünfte sind damit verbunden? Dies sind Fragen, die die österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb in ihrem Buch Für Pessimismus ist es zu spät - Wir sind Teil der Lösung in einer unüblichen Form behandelt. Sie formuliert eine etwa 70 Jahre umgreifende, persönliche Zusammenfassung der Entwicklung der Welt und gibt den Lesenden damit ein Resümee ihrer Lebenserfahrungen und Perspektiven an die Hand. 

Bei diesem Buch handelt es sich bewusst nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung. Obwohl Kromp-Kolb vielfach Quellen zu den präsentierten Informationen anführt, verfolgt die emeritierte Professorin mit diesem Text eher ein anderes Ziel. Sie möchte eine gesellschaftliche Reflexion anregen, beginnend mit dem eigenen Erfahrungsschatz. Als Beispiel dafür kann die Zusammenarbeit der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft in den 1970er- und 1980er-Jahren zum Thema Umweltschutz genannt werden. Obwohl sie diese Kooperation als einen persönlichen Höhepunkt beschreibt, würde sie das damalige Vorgehen nicht für heute empfehlen. Zu sehr haben sich die Rahmenbedingungen und die Gesellschaft verändert. 

Über sieben inhaltliche Kapitel führt uns die Autorin in unaufgeregt-pragmatischem und klarem Ton in die Geschichte der Klimawandeldiskussion ein, um eine Informationsgrundlage für den Wertewandel zu schaffen, den sie uns vor Augen führen möchte. Dabei schont sie Leserinnen und Leser nicht, wenn es um die Untätigkeit der Politik geht, spricht aber auch von Vereinigungen wie Fridays for Future, die für eine nachhaltigere Zukunftsgestaltung mobil machen. 

Bezüglich möglicher Zukünfte skizziert Kromp-Kolb abschließend zwei sehr konträre Bilder. Zuerst konfrontiert sie uns mit der gegenwärtigen Realität wahrscheinlicher Erhitzung und deren Folgen. Diese ohnmächtig stimmende Aussicht kontrastiert sie aber im letzten Kapitel mit einer Zukunftsvision aus dem Jahr 2050. Hierbei relativiert sie die Ängste der aktuellen Situation, ohne sie kleinzureden. Sie motiviert für den Klimaschutz anhand einer lebenswerten Zukunft, für die es sich lohnt, in Aktion zu treten. Womit sie uns, wie im Untertitel beschrieben, als Teil der Lösung entlässt. Von Johannes Haunschmid


Ungleich verteilte Folgen


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Die globale Erwärmung ist mittlerweile neben den neuen geopolitischen Friktionen zu einem zentralen Thema der internationalen Debatten geworden, wie etwa ein warnender Bericht der Europäischen Umweltagentur vor Kurzem zeigte. Wir verfügen über zahlreiche Studien, Prognosen, Szenarien, Grafiken und Temperaturkurven. Weniger im Blickfeld haben wir, dass der menschengemachte Klimawandel wesentlich auch ein soziales Problem ist, weil eben die Betroffenheit von den Folgen der Erwärmung sehr unterschiedlich ausfällt. Diesem Thema widmet sich seit vielen Jahren Friederike Otto, bekannt geworden durch den mit ihrem Kollegen Benjamin von Brackel verfassten Bestseller Wütendes Wetter. In ihrem neuen Buch Klimaungerechtigkeit richtet die Klimawissenschaftlerin den Scheinwerfer nun auf jene, die bereits jetzt massiv unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden. 

Das 1,5-Grad-Ziel sieht die Autorin als ambivalenten "Kompromiss zwischen Toten, Schäden und Verlusten auf der einen Seite und Profiten aus dem Verbrennen fossiler Brennstoffe auf der anderen". Im Klartext: Das 1,5-Grad-Ziel wird für viele Menschen dennoch Chaos und Zerstörung bedeuten. Otto macht deutlich, dass neben der Zunahme der Wetterextreme auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Sie nennt drei davon: "Die Naturgefahr, die Art und Weise, wie wir ihr ausgesetzt sind - die Forschung spricht hier von Exposition -, und die Vulnerabilität, also die Verletzlichkeit, mit der wir ihr gegenübertreten." Am Beispiel der dramatischen Überschwemmungen 2022 von Mai bis Oktober in Westafrika: Besonders betroffen waren die etwa 30 Millionen Bewohner:innen des Nigerdeltas in Nigeria, deren Hab und Gut einfach weggeschwemmt wurde. Es hätte in dieser Region schon längst ein Staudamm gebaut werden müssen, der das Wasser auffängt. Aber dieser wurde nicht gebaut, so Otto. 

Zu den ungleich verteilten Folgen der zunehmenden Wetterereignisse kommen also die ungleichen Ressourcen, sich dagegen zu schützen. Exposition und Vulnerabilität sind für Otto daher Faktoren, die beide in den Blick genommen werden müssen. Eine Schlussfolgerung der Autorin: "Was mich Extremereignisse vor allem gelehrt haben, ist, dass die Klimakrise eine Krise ist, die hauptsächlich durch Ungleichheit und die nach wie vor unangefochtene Vorherrschaft patriarchaler und kolonialer Strukturen geprägt ist, die zudem verhindern, dass ernsthaft Klimaschutz betrieben wird." Es gehe bei Klimapolitik daher um Menschenrechtspolitik. Otto dazu pointiert: "Das Pariser Klimaabkommen ist ein Menschenrechtsvertrag, kein Vertrag zum Schutz von Eisbären und kein Almosenvertrag zur Unterstützung des Globalen Südens." 

"Hitze", "Dürre", "Feuer" und "Flut" lauten die Kapitel des Buches. In diesen macht die Klimaforscherin an zahlreichen Beispielen deutlich, wie ungleich nicht nur die Treibhausgas-Emissionen nach Ländern und sozialen Schichten verteilt sind, sondern auch die Folgen davon. Dabei gibt es durchaus wissenschaftlich geführte Datenbanken über Katastrophen, doch die Datenlage sei zum Beispiel für Afrika aufgrund nur rudimentärer Wetterdienste völlig unzureichend, zudem würden beispielsweise Hitzewellen je nach Region sehr unterschiedlich definiert. Otto spricht neben dem Feilschen um die Entschädigungszahlungen für Klimaschäden - man spricht hier von "Attributionsforschung", also wieweit Schäden dem menschengemachten Klimawandel zuzurechnen sind, auch von einem "medialen Faktor": "Internationale Medien interessieren sich nicht für das, was in Afrika passiert." Kritik übt die Autorin auch an der praktizierten Entwicklungszusammenarbeit, die viel zu wenig auf den Klimawandel abgestimmt sei. Beispielsweise bräuchten afrikanische Länder bedeutend mehr Frühwarnsysteme und Anpassungsstrategien. 

"Und jetzt?" - so die Frage im Schlusskapitel. Otto kritisiert das Arbeiten mit der Angst etwa im Kontext von Kipppunkten - "Angst macht Auflage, doch zum Handeln regt sie nicht an" -, sie plädiert vielmehr dafür, die Auswirkungen des Klimawandels auf konkrete Menschen und zudem die Co-Benefits von wirksamer Klimapolitik für Lebensqualität, Gesundheit et cetera in den Mittelpunkt zu stellen. 

Resümee: Ein Buch, das aufrütteln möchte. Ein Plädoyer dafür, die Klimakrise nicht ausschließlich als physikalisches Problem, sondern vor allem als gesellschaftliches zu thematisieren. Denn: "Natürlich brauchen wir eine Transformation dessen, wie wir Energie gewinnen. Vor allem aber brauchen wir eine Transformation dessen, wer wie am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, wie politische und wirtschaftliche Macht genutzt wird, wer die Entscheidungen trifft." Von Hans Holzinger


Für ein neues Fortschritts-Narrativ


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Werner Mittelstaedt zählt zu den Vertretern einer kritischen Zukunftsforschung in der Tradition von Robert Jungk. In seinem aktuellen Buch Transformation und Ambivalenz steht die Klimakrise im Fokus. Diese sieht er aktuell als größte Gefahr für die Menschheit, wie der Untertitel des Bandes "Kurskorrektur oder Klimakatastrophe" anzeigt. Mittelstaedt widmet sich zunächst den beiden Begriffen des Buchtitels. Unter Transformationen seien die "vielen winzigen bis sehr großen Veränderungsschritte auf praktisch allen Ebenen menschlichen Handelns zu verstehen". Ihre Realisierung impliziere einen fundamentalen gesellschaftlichen Wandel, der die Lebenswirklichkeiten der Menschen fast überall auf der Erde umgestalten werde. Der Autor spricht von einem "Epochenumbruch", den nicht nur Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie, sondern "möglichst viele Menschen aus allen gesellschaftlichen Umfeldern" zu gestalten hätten. 

Was hat dies mit Ambivalenz zu tun? "Wir wollen etwas verändern, aber scheuen uns, dafür etwas zu tun oder zu unterlassen." Dies gelte, so der Autor, nicht nur für einzelne Menschen, sondern das Handeln ganzer Länder oder Staatengemeinschaften, die die Ambivalenz der Bürgerinnen und Bürger widerspiegeln, wie etwa die bislang 27 Klimakonferenzen der Vereinten Nationen seit 1995 zeigen würden: "Seitdem hat sich die Erwärmung beschleunigt und die Schäden in der Biosphäre und für die Menschen durch die Klimakrise werden Jahr für Jahr größer, weil praktisch nichts erreicht wurde." Wir seien gefangen im Fortschrittsversprechen und der Wachstumsgläubigkeit: "Durch das enorme Wirtschaftswachstum im noch jungen 21. Jahrhundert wurde das gesamte Erdsystem stärker als jemals zuvor im Anthropozän belastet." Mittelstaedt spricht hier von einem "drohenden Wachstumsdilemma", denn das bestehende Wachstumsparadigma sei alles andere als nachhaltig, wenn das Wachstum aufgrund von zunehmenden Klimakatastrophen jedoch einbreche, drohten "soziale Unruhen und politische Krisen nie gekannten Ausmaßes". Der Rechtsruck und die Proteste in Europa durch die Gas- und Energiekrise hätten einen kleinen Vorgeschmack darauf geliefert. Eine Megakrise wäre auch unter dem Einsatz klugen Handelns und allergrößter Disziplin der meisten Menschen nicht mehr zu lindern. 

Im Zentrum der globalen Transformation steht die Umstellung der Energieversorgung. Auch hier habe der Krieg Putins gegen die Ukraine die Krisenhaftigkeit unseres Energiesystems deutlich gemacht, so der Autor. Flüssiggas (LNG) sei davor nur als Ergänzung, etwa für LKW-Treibstoff, verwendet worden. Im Zuge der Gas-Krise sei dieses aber zum Ersatz für russisches Gas geworden - mit problematischen ökologischen Folgen: "LNG aus den USA mit hohem Fracking-Anteil ist mehr als 6-mal und das aus Australien rund 7,5-mal klimaschädlicher als Pipeline-Gas aus Norwegen." 

Mittelstaedt fordert ein neues "Aufstiegs-Narrativ", das Klimaschutz in allen Bereichen und Berufen ins Zentrum stellt. Und er plädiert für ein neues "Fortschritts-Narrativ". Dieses müsse vermitteln, dass gesellschaftlicher Fortschritt sich nur noch erzielen lasse, "wenn Menschen ein neues Verständnis im Umgang mit der Biosphäre und der Begrenztheit der Erde entwickeln und danach handeln". Da kommt die "neue Aufklärung" von Ernst Ulrich von Weizsäcker ins Spiel, der ein Vorwort zum Buch verfasst hat. 

Einschätzung: Werner Mittelstaedt vermittelt die Dringlichkeit der Umsteuerung und zitiert zahlreiche Fakten, die diese untermauern. Seine Vorschläge zur Transformation sind pragmatisch und reformorientiert. Sie reichen vom Stopp der Flächenversiegelung über den Ersatz von Kunststoffen durch biobasierte Ersatzstoffe bis hin zu Tempolimits auf Straßen und auf den Weltmeeren sowie einer deutlichen Verteuerung des Flugverkehrs. Auch eine faire Verteilung des Wohlstands und die Begrenzung der Reichen mit ihrem gigantischen CO2-Fußabdruck wird angesprochen. Heftig kritisiert werden die neuen Militarisierungsschritte, die ökologisch desaströs seien und für die Transformation nötige Ressourcen verschlingen. Der Autor setzt auf strukturelle Veränderungen und damit auf eine Zähmung des Kapitalismus - die Systemfrage stellt das Buch so nicht. Deutlich wird, dass der Wandel auch unserer Denkmuster und kulturellen Bilder von Fortschritt notwendig ist, wie die 95 neuen Wertorientierungen und Handlungsmuster am Ende des Buches nochmals vor Augen führen. Ein Buch, das einmal mehr die Dringlichkeit der Umsteuerung aufzeigt. Von Hans Holzinger


Ein Republikanismus der Nachhaltigkeit


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Maßnahmen zur Nachhaltigkeit können nicht losgelöst von demokratischen Überlegungen umgesetzt werden, denn Nachhaltigkeit geschieht eben nicht in einem neutralen Raum und ist auch nicht nur durch technische Innovation zu lösen, schreibt Felix Heidenreich, wissenschaftlicher Koordinator am Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart, in seinem Buch Nachhaltigkeit und Demokratie. Der Experte konstatiert, dass es nach wie vor wenig konsensfähig sei, dass die notwendige Transformation "umfassende Folgen für die Praxis und den Begriff der Demokratie impliziert". Für seine Begründung, dass Nachhaltigkeit und Demokratie gemeinsam gedacht und weiterentwickelt werden müssen, gibt Heidenreich einleitend fünf idealtypische Antworten auf die Frage, warum so wenig geschehe. Zusammenfassend bedarf es einer sinnvollen Verknüpfung von Elinor Ostroms Theorie der Allmende, in der Heidenreich unter Rückgriff auf Forschungsergebnisse "umsetzbare und empirische Lösungsansätze" sieht, sowie Strategien aus der Verhaltensökonomik und der Sozialpsychologie, welche der Autor mit Blick auf bereits gängige Formen des Nudgings für die Nachhaltigkeitsdebatte als unverzichtbar deklariert. 

Dem Liberalismus und damit auch green liberals erteilt Heidenreich eine Absage bezüglich ihrer Lösungskompetenz, nicht zuletzt aufgrund "der Krise des liberalen Narrativs". Er führt diesbezüglich besonders die wachsende Ungleichheit sowie den Bruch des Freiheitsversprechens für alle an, denn von den Errungenschaften profitieren würden primär "privilegierte, transnationale Eliten, wohingegen die Mittelschichten in den OECD-Ländern einem ständig wachsenden Konkurrenzdruck ausgesetzt sind und sich mit einer drohenden Prekarisierung konfrontiert sehen". Hingegen sieht Heidenreich im Republikanismus eine Antwort auf gegenwärtige Krisen. Es brauche inklusives Vorgehen, welches auf Basis von Expertenwissen Partizipation ermöglicht. Ein Republikanismus der Nachhaltigkeit könnte, so Heidenreich, "an die Selbstwirksamkeit … appellieren, subsidiäre Sphären der kollektiven Autonomie schaffen und die große Transformation als eine Herausforderung rahmen, die gerade die Kreativität und Eigeninitiative von Bürgerinnen und Bürgern notwendig macht". Von Carmen Bayer


Überlegungen zu einer Bewusstseinskultur


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"Wir müssen uns ehrlich machen" schreibt der Philosoph Thomas Metzinger. Die Klimakatastrophe beschleunigt sich, doch unser Umgang mit ihr ist keineswegs angemessen. Die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte werden eine schwierige Zeit, und deshalb brauchen wir einen neuen kulturellen Kontext, der diese veränderte Situation zu tragen vermag, auch wenn die Menschheit scheitert. Metzinger schlägt eine Bewusstseinskultur vor, so der Titel seines neuen Buchs - hinter dem Begriff stehen Fragen nach neuen gesellschaftlichen Leitideen, aber auch nach einer richtigen inneren Einstellung zur planetaren Krise sowie nach einer würdevollen Art zu leben. 

Den Hintergrund seines Buchs umreißt der Autor so: Wir wissen schon lange, dass das wachstumsorientierte Wirtschaftsmodell fatale Auswirkungen auf den Planeten hat, und dennoch ist der Übergang zu einer nachhaltigen Form bislang nicht gelungen. Jetzt befinden wir uns in einer ökologischen Katastrophe, die aufgrund physikalischer, aber auch unserer geistigen Trägheit und der politischer Institutionen nicht mehr aufzuhalten ist. Die Menschheit ist längst in die Phase der Schadensbegrenzung und des Katastrophenmanagements eingetreten. Diese Lage zu akzeptieren, ist sehr schwer. Optimismus dient hier dem Zweck, das Gefühl der Kontrolle zu behalten, schwächt aber letztlich nicht nur den Einzelnen, sondern auch den sozialen Zusammenhalt. Selbsttäuschung schafft auch keine nachhaltige Motivation, sich zu engagieren. Und während egoistisches Verhalten evolutionär begründet ist, verfügt der Mensch doch auch über andere Fähigkeiten - das Gehirn ist komplex. Die Frage ist, ob und wie der menschliche Geist noch formbar ist. Aus diesen Gründen ist für Metzinger die Tiefenstruktur unseres Geistes von besonderem Interesse. 

Wir haben, so der Autor, eine ethische Verpflichtung dazu, uns den Tatsachen zu stellen. Es sei intellektuell nicht mehr redlich, noch Optimist zu sein. Wenn er sich hierbei dem Thema Meditation zuwendet, darf man ihn nicht falsch verstehen. Es geht nicht um eine weitere Bewältigungsstrategie oder Weltflucht, im Gegenteil: "Wir brauchen einen neuen kulturellen Kontext, der es ermöglicht, mehr zu tun." Meditation ist eine Möglichkeit, die innere Bewusstheit zu kultivieren und somit die eigene Autonomie zu stärken. Neben Philosophie und Wissenschaft ist auch sie eine epistemische Praxis, die dem Erkenntnisgewinn dient. Sie erzeugt Kritikfähigkeit und befreit von Mustern. Durch das Scheitern und auch durch die Respektlosigkeit gegenüber anderen Lebewesen und den Abermilliarden, die erst nach uns leben werden, wird das Selbstbild des Menschen einen dauerhaften Riss bekommen. Unsere Aufmerksamkeit wird von uns selbst, aber auch von Medien abgelenkt, doch das macht alles nur schlimmer. Wenn man aber eine Strategie wie die der Meditation verwenden könne, sanft und präzise bei dem unangenehmen Gefühl zu verweilen, sei es möglich, aus dem Teufelskreis herauszukommen. 

In drei kurzen Kapiteln diskutiert Metzinger Begriffe wie Zweckoptimismus, Selbstachtung und intellektuelle Redlichkeit. Er fragt, welche Bewusstseinszustände man als positiv werten, und wie man sie kultivieren könnte. Er sucht nach neuen Formen von Würde und entwirft ein Bild von säkularer Spiritualität. Abschließend fasst er seine Überlegungen in einigen Kriterien für eine Bewusstseinskultur zusammen. Eine neue Perspektive! Von Clara Buchhorn 


Zitate


"Es ist keine Kunst, Gründe zu finden, warum es NICHT gehen wird. Die Kunst ist, zu sehen, was sich schon bewegt, das zu fördern und neue Wege zu gehen, um das möglich zu machen, von dem wir wissen, dass es notwendig ist." Helga Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät

"Was mich Extremereignisse vor allem gelehrt haben, ist, dass die Klimakrise eine Krise ist, die hauptsächlich durch Ungleichheit und die nach wie vor unangefochtene Vorherrschaft patriarchaler und kolonialer Strukturen geprägt ist, die zudem verhindern, dass ernsthaft Klimaschutz betrieben wird." Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit

"Angst macht Auflage, doch zum Handeln regt sie nicht an." Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit

"Natürlich brauchen wir eine Transformation dessen, wie wir Energie gewinnen. Vor allem aber brauchen wir eine Transformation dessen, wer wie am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, wie politische und wirtschaftliche Macht genutzt wird, wer die Entscheidungen trifft." Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit

"Durch das enorme Wirtschaftswachstum im noch jungen 21. Jahrhundert wurde das gesamte Erdsystem stärker als jemals zuvor im Anthropozän belastet." Werner Mittelstaedt: Transformation und Ambivalenz

"Wir müssen uns ehrlich machen." Thomas Metzinger: Bewusstseinskultur

 

changeX 01.10.2024. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Quellenangaben

Zu den Büchern

: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung. Molden Verlag, Wien 2023, 208 Seiten, 26 Euro (D), ISBN 978-3-222-15111-8

Für Pessimismus ist es zu spät

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: Klimaungerechtigkeit. Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat. Ullstein Verlag, Ullstein Verlag 2023, 336 Seiten, 22.99 Euro (D), ISBN 978-3-550202445

Klimaungerechtigkeit

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: Transformation und Ambivalenz. Kurskorrektur oder Klimakatastrophe. Verlag Peter Lang, Lausanne 2024, 179 Seiten, 29.95 Euro (D), ISBN 978-3-631889787

Transformation und Ambivalenz

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: Nachhaltigkeit und Demokratie. Eine politische Theorie. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 243 Seiten, 20 Euro (D), ISBN 978-3-518-29988-3

Nachhaltigkeit und Demokratie

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: Bewusstseinskultur. Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und die planetare Krise. Berlin Verlag, Berlin 2023, 208 Seiten, 22 Euro (D), ISBN 978-3-8270-1488-7

Bewusstseinskultur

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Autor

pro zukunft-Buchkolumne
<i>pro zukunft</i>-Buchkolumne

pro zukunft, das Buchmagazin für zukunftsweisende Debatten, wird herausgegeben von der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Die pro zukunft-Buchkolumne auf changeX greift dieses Mal fünf Beiträge aus der Ausgabe 3 | 2024 des vierteljährlich erscheinenden Magazins auf. Die Autorinnen und Autoren der Rezensionen sind (in der Reihenfolge ihrer Texte): Johannes Haunschmid, Hans Holzinger, Carmen Bayer und Clara Buchhorn.

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