Spaß ist erlaubt
Living at Work-Serie | Folge 42 | - Ralf G. Nemeczek über Fun Economy.
Wenn jeder Mensch beruflich das tun würde, was er von Herzen gerne macht, dann würde unsere Wirtschaft ganz anders aussehen. Sagt ein Coach und schickt mit Fun Economy einen neuen Begriff auf die lange Reise in die Managerherzen. Die Botschaft ist klar: Arbeitsfreude ist nicht mehr verboten. Erfolg muss nicht mehr hart erkämpft werden oder weh tun. Menschen erobern frohlockend ihre stickigen Arbeitsplätze zurück.
Was ich unter Fun Economy verstehe, ist gar nicht so neu. Es gab sie schon vor Hunderten von Jahren, es gibt sie heute und es wird sie morgen geben. Fun Economy wird überall dort gelebt, wo Menschen ihre Talente und Fähigkeiten einsetzen, wo sie einander unterstützen und fördern, wo sie sich gegenseitig wertschätzen und wo sie authentisch und wahrhaftig sind. Ich übersetze das englische Wort "fun" eher mit Freude als mit Spaß. Mit der so genannten "Spaßgesellschaft" hat das wenig zu tun. Wenn man ständig mit oberflächlicher Unterhaltung zugeballert und zum Lachen genötigt wird, kann einem das Lachen oft vergehen. Echtes, herzhaftes Lachen stellt sich dann ein, wenn wir den Ernst des Lebens relativieren und uns erlauben, Mensch zu sein.
Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten werden Spaß und Humor schnell als Luxus abgestempelt. Aber Spaß und Wirtschaftlichkeit sind kein Entweder-oder. Im Gegenteil, sie sind eng miteinander verbunden. Gut gelaunte Mitarbeiter, die Spaß an ihrem Job haben, sind ein mächtiger Erfolgsfaktor. Wann lernt ein Kind gerne? Wenn es Spaß daran hat. Wann mache ich gerne Tätigkeiten für meinen Chef? Wenn ich Spaß daran habe. Und wann habe ich Spaß an etwas? Wenn ich meine Talente und Fähigkeiten ausleben darf. Wenn jeder Mensch beruflich das tun würde, was er von Herzen gerne macht, dann würde unsere Wirtschaft ganz anders aussehen.

Abschied vom Schwarzweißdenken.


Unsere Art zu wirtschaften ist auf einen einzigen Wert ausgerichtet - und das ist Geld verdienen nur um des Geldverdienens willen. Durch dieses Wertesystem haben wir eine Wirtschaft geschaffen, in der es nicht leicht ist, von heute auf morgen mit seiner Berufung Geld zu verdienen. Das redet die Fun Economy auch gar nicht schön. Aber viele sehen das Thema Berufung und Einkommen völlig schwarzweiß. Wenn sie keine Möglichkeit sehen, mit ihrer Berufung hauptberuflich den ganzen Lebensunterhalt zu verdienen, lassen sie es ganz bleiben.
Aber man kann ja auch als Nebenjob damit anfangen oder ehrenamtlich oder als Wochenendprojekt oder als Fortbildung. Für mich lebt ein Mensch in dem Moment seine Berufung, wo er beginnt, ihr hinterherzugehen. Aber viele geben sich selbst keine Chance, in ihre Berufung hineinzuwachsen, weil sie an diesem Schwarzweißdenken festhalten. Und dann wird der begehrte Arbeitslohn oft zum Schmerzensgeld. Dabei könnten die Menschen genauso gut dankbar dafür sein, dass sie sich mit ihrem Einkommen den Weg in ihre Berufung finanzieren könnten.
Auch aus der Arbeitslosigkeit kann man sich den Weg in die Fun Economy bahnen, wenn man die Zeit nutzt, um zu entdecken, wo man etwas beitragen will, in welche Richtung man weitergehen will und was seine Berufung ist. Aber viele Menschen nutzen die Zeit der Arbeitslosigkeit nicht, sondern jagen Jobs hinterher, die sie eigentlich nicht haben wollen.

Arbeit darf Spaß machen.


Speziell viele Deutsche haben ein grundsätzliches Problem mit dem Spaß an der Freud', wenn es um den Job geht. Neulich nach einem Vortrag sprach mich ein Zuhörer an und sagte: "Also ich habe immer hart gearbeitet für meinen Erfolg, und ich bin immer gut damit gefahren - auch ohne Spaß." Dann habe ich gefragt: "Und wie ging es Ihnen dabei gesundheitlich? Wie ging es Ihnen als Mensch? Was war mit Ihrem Glücksgefühl?" Er hat gesagt: "Ja, das war alles immer prima." Wir tun uns wirklich schwer damit, zuzugeben, dass die Arbeit selbst das Vergnügen ist. Stattdessen glauben viele noch an den alten Spruch: "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen." Was passiert etwa, wenn ein Kind bei seinen Hausaufgaben lacht und pfeift und sich freut? Dann schreit der Papa von hinten: "Ich hab gedacht, du lernst!"
Viele denken immer noch, es muss wehtun, wenn man Erfolg haben möchte. So nehmen wir uns selbst den Spaß an der Arbeit, der naturgegeben eigentlich da ist. Ich kenne auch viele Menschen, die regelrecht Angst vor Spaß haben. Besonders Führungskräfte fühlen sich beschützt hinter ihrer Strenge und Humorlosigkeit, weil sie Angst davor haben, am Arbeitsplatz das Menschliche herauszulassen.

Der Mensch an erster Stelle.


Natürlich wird in vielen Unternehmen versucht, Veränderungsprozesse in Richtung lebendiger Arbeitsmodelle anzustoßen - flexiblere Arbeitszeiten etwa oder Work-Life-Balance-Programme. Das alles trägt aber keine Früchte, wenn dahinter Führungskräfte stehen, die immer noch dem mechanistischen Organisationsbild nachhängen und die ihre Mitarbeiter letztlich doch als Punkt im Organigramm sehen - als leblose Leistungsträger statt als Menschen. Diese Respektlosigkeit treibt die Mitarbeiter in den Widerstand, in den Zynismus und in die Lustlosigkeit.
Unternehmerische Erfolge aber resultieren aus den schöpferischen Kräften der Mitarbeiter, aus deren Arbeitsfreude und Engagement. Deshalb ist es künftig die Hauptaufgabe der Firma, sich mit jedem einzelnen Mitarbeiter auseinander zu setzen, gezielt nach seinen Talenten zu schauen und Freiräume dafür zu schaffen. Das bedeutet aber auch, einzusehen, dass sich Firmen nicht wie Maschinen lenken und konstruieren lassen. Wenn diese Einsicht nicht da ist, werden alle Veränderungsversuche in Richtung lebendige Organisation kläglich scheitern.
Das ist eine Einsicht, die schwer fällt, weil sie mit Kontrollverlust, Macht- und Berechenbarkeitsverlust verbunden ist. Wir Menschen neigen dazu, das, was uns Angst macht, zu verdrängen oder zu ignorieren. Und wenn es nicht mehr funktioniert, fangen wir an, zu reparieren, also die Symptome zu lindern. Die Krankheitssymptome unserer heutigen Wirtschaft sind hohe Arbeitslosigkeit, hohe Krankheits-, Frustrations- und Depressionsraten, niedriger Motivationslevel, niedrige Innovationsfähigkeit und so weiter. Die Unternehmen reparieren mit verschiedensten Managementmodellen, Anreizsystemen und Wahnsinnsgehältern. Der Staat repariert mit Regulierung und Subvention. Das alles ist, als ob wir bei unserem Auto das rote Warnlämpchen ausbauen, statt Öl im Motor nachzufüllen. Das Öl, das unsere Wirtschaft und die Unternehmen benötigen, sind frische innovative Ideen für lebendige, menschenorientierte Arbeitsplätze.

Der Wandel wird kommen.


Ich bin sicher, dass viele Manager erkennen werden, dass es ohne den Spaßfaktor, ohne das Menschliche in der Wirtschaft, immer schwieriger wird, erfolgreich zu sein. Deswegen wird es immer mehr Firmen geben, in der die Fun Economy gelebt wird. Und immer mehr Menschen, die sich fragen: Was macht mir Freude, wie kann ich es umsetzen, was kann ich für andere Menschen beitragen? Ich bin optimistisch, weil die Wirtschaft, so wie sie heute ist, einfach nicht der menschlichen Natur entspricht und sich immer mehr Menschen für einen Wandel aktiv einsetzen.

Übersicht aller bereits erschienenen Beiträge der "Living at Work-Serie".

English version: PDF-File.

Ralf G. Nemeczek ist Experte für die Zusammenhänge zwischen Lebensqualität, Spaß, Gesundheit, Erfolg, Talenten und dem Entdecken der eigenen Berufung. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und arbeitet als Coach und Berater in Leinfelden-Echterdingen.

www.fun-economy.de

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Vom 19. bis 23. Oktober 2004

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