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Der Reiz des Zockens

Christof Martinetz schreibt über frühe Fehler und späte Einsichten eines Börsenneulings.

Von Sylvia Englert

Gier, unüberlegte Entscheidungen und das Jammern über verpasste Chancen gehören zum Verhalten des typischen Kleinanlegers. In seinem Buch, einer Mischung aus Erfahrungsbericht und Ratgeber, erzählt Christof Martinetz freimütig von seinen Fehlentscheidungen und was er daraus lernte.

Der Kleinanleger ist ein geschundenes Wesen, von der bösen Wirtschaft und der gemeinen Börse um die Früchte jahrelangen Sparens betrogen. So scheint es zumindest, wenn man die Klagen mancher Aktionäre hört, die sich offensichtlich nicht klar gemacht haben, dass Anteile an einem Unternehmen keinen garantierten Gewinn bedeuten, sondern dass zur Börse auch das Risiko gehört, Geld zu verlieren. Wofür die jeweiligen Unternehmen manchmal wenig können, die kapriziösen Trader, Anleger und Analysten dafür um so mehr.

Ein Ottonormalanleger erzählt.


Christof Martinetz weiß von den Sorgen und Nöten eines Kleinanlegers ein Lied zu singen. Sein flott geschriebener Erfahrungsbericht ist ernüchternd und lehrreich zugleich. Mitten im Börsenboom begann er, angelockt von den verheißungsvollen Kursverläufen und, wie er gesteht, einer guten Portion Gier, mitzuspekulieren. Doch seine Aktien dümpelten dahin oder erlitten Schwächeanfälle, während alle anderen Anleger fette Spekulationsgewinne einzufahren schienen. Am Zustand seines Depots war die Glücksfee weitgehend unschuldig, wie Martinetz nach und nach erkannte. Freimütig erzählt er davon, wie er einen klassischen Fehler nach dem anderen beging und allmählich lernte, sie zu vermeiden. Seine allerersten Erfahrungen: Munter kaufte er nach einem Kursanstieg auf der Spitze einer Welle, doch dann packte ihn, als die Aktie scheinbar unaufhaltsam nach unten ging, das kalte Grausen. Also verkaufte er - im Tal der Welle, mit Verlust. Dann ließ sich von einem Kursanstieg zum Kauf verleiten und legte sich Aktien eines Unternehmens (Lycos) zu, von dessen Geschäft und Entwicklung er praktisch nichts wusste, wie er später leidvoll feststellen musste. Und das alles per Online-Broker, und zwar bitte schnell. Nicht einmal richtig Spaß machte ihm das, was er schnell als "Zockerei" erkannte: Jedes Mal, wenn ein anderes Unternehmen an der Börse raketengleich abhob, quälte er sich mit "Hätte ich doch nur diese Aktien gekauft ..." - Gedanken, die ihm die eigenen bescheidenen Erfolge vergällten. Auch das war typisch Anfänger, erkannte er später. Doch auch ihm sollten, nach all den Fehlentscheidungen, noch solide Anlageerfolge beschert sein. Das Buch hat ein Happy End: Schließlich schaffte es Martinetz doch noch, mit Aktien Geld zu verdienen.

Guter Rat - unterhaltsam erteilt.


Sein Buch ist nicht nur eine vergnügliche Lektüre, sondern gleichzeitig sehr informativ. Immer wieder flicht Martinetz Erklärungen in seine Erzählung ein, Kästen weisen den Weg durch den Börsenjargon und vermitteln Grundwissen. Zusammenfassungen seiner Fehler am Ende jedes Kapitels verstärken den Lerneffekt, Grafiken der Kursentwicklungen machen es leicht, Martinetz' Anlageentscheidungen und -pannen nachzuvollziehen. In der zweiten Hälfte des Buches geht Martinetz dann von seiner eigenen Geschichte ab, zeigt in seinem "Psychogramm eines Kleinanlegers" noch einmal typische Börsen-Fallen auf und entwirft Grundzüge einer sinnvollen Anlagestrategie. Alles in allem ein Buch, das man jedem Kleinanleger in die Hand drücken sollte - am besten, bevor er seine gesamten Ersparnisse investiert.

Christof Martinetz:
Den Bullen reiten. Frühe Fehler und späte Einsichten eines Börsenneulings,
Campus 2001, 229 Seiten, 42 Mark,
ISBN 3-593-36713-0

Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.

www.campus.de

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