Wir beobachten, dass die öffentliche Debatte über eine nachhaltige Entwicklung bei den Konsumenten angekommen ist und tatsächlich in Kaufentscheidungen von Verbrauchern einfließt. Diese Debatte hat das Verhalten der Menschen hier in Deutschland beeinflusst.
Unsere Untersuchung zielt darauf ab, die Bedeutung und den Einfluss von verantwortungsbewusstem Konsumverhalten auf das Image und die Präferenz von Produkten und Marken messbar zu machen. Hierbei konnten wir feststellen, dass sich die bundesdeutsche Bevölkerung in fünf Konsumenten- und Verbrauchersegmente unterteilen lässt, von denen wir drei, das sind rund 60 Prozent der Bevölkerung, als sogenannte CSR-affine Verbraucher bezeichnen können. Das sind Verbraucher, die ein Nachhaltigkeitsbewusstsein entwickelt haben und dieses in ihrem persönlichen Lebens- und Konsumstil umsetzen, indem sie bei der Wahl von Marken und Produkten zunehmend auf sozialökologische Aspekte achten.
Daneben gibt es zwei weitere Konsumentensegmente, die wir als "Verweigerer" bezeichnen. Die "skeptischen Verweigerer" sind diejenigen, die der Nachhaltigkeitsdebatte nicht richtig Glauben schenken mögen, die den Medienberichten nicht trauen und beispielsweise nicht glauben, dass der Klimawandel wirklich ein Problem für die Menschheit darstellt. Die "bewussten Verweigerer" hingegen wissen, dass Klima, Arbeitsbedingungen und weltweite Armut tatsächlich große Herausforderungen für die Menschheit darstellen, wollen aber dennoch ihr Verhalten bewusst nicht verändern.
Die tun es, richtig. Wenngleich sich die Motive unterscheiden. Manche greifen kompromisslos zu sozialökologisch profilierten Produkten, andere nur, wenn diese Produkte für sie qualitativ besser sind. Sie kaufen Fair-Trade-Kaffee nicht deshalb, weil damit faire Löhne an die Kleinbauern gezahlt werden, sondern insbesondere weil ihnen der Kaffee besser schmeckt.
Nein, wir sprechen bewusst nicht von Lohas, weil diese Lohas für die konkrete Markenführung relativ schwammig definiert sind. Zudem sind sie nicht so quantifiziert, dass man damit für die Entwicklung zielgruppenspezifischer Marken- und Kommunikationsstrategien etwas anfangen könnte. Da fehlt die quantitative Basis und es fehlt auch ein stimmiges Profil, wie man Lohas das Gefühl vermitteln kann, dass bestimmte Produkte oder Marken ihnen helfen können, ihr Bedürfnis nach einem verantwortungsvollen Lebensstil zu befriedigen.
Ja. Man kann über die gesamte Markenlandschaft hinweg feststellen, dass sozialökologische Faktoren Einfluss auf das Image einer Marke haben. Insbesondere sind sie ausschlaggebend dafür, ob man dem Produktversprechen vertraut und sich diesem Produkt oder dieser Marke emotional verbunden fühlt. Der ethische Wert von Marken beeinflusst zudem die Präferenz einer Marke. Je höher die CSR-affinen Verbraucher die ethische Dimension einer Marke bewerten, desto mehr präferieren sie dieses Produkt vor anderen vergleichbaren Produkten.
Der ethische Markenwert setzt sich aus vier Dimensionen zusammen. Da ist zunächst einmal die ökologische Verantwortung in dem Sinne, ob das Produkt umweltfreundlich hergestellt wurde und ob es ökologisch verträglich ist. Dann ist da zweitens die soziale Verantwortung, also inwieweit sich auch das Unternehmen hinter der Marke als guter Bürger und Arbeitgeber verhält. Die dritte Dimension sind die Unternehmensgrundsätze - das heißt, verfügt die Marke über faire und gute Geschäftspraktiken, setzt sie sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Supply Chain ein und kommuniziert die Marke offen und transparent? Die letzte Dimension ist die ökonomische Verantwortung. Hier geht es darum, ob das Produkt ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis für mich hat, ob es meinen Qualitätsansprüchen genügt und ob es meine Konsumbedürfnisse befriedigt.
Genau, CSR wird zu einem strategischen Instrument. Zum einen geht es darum, Corporate Social Responsibility als einen zentralen Baustein in der Unternehmensführung zu etablieren, zum anderen, die Investition in nachhaltige Geschäftspraktiken in eine entsprechende Wahrnehmung des Unternehmens und seiner Marken zu übersetzen. Das sind zwei Seiten einer Medaille: Das eine ist, Substanz zu schaffen - und das ist auch eine Frage der Haltung. Und das andere ist, diese Substanz zu kapitalisieren, indem man positiven Einfluss auf die Reputation des Unternehmens in der Öffentlichkeit und auf das Image und die Präferenz der Marke erzielt. Investitionen in verantwortungsvolle Geschäftspraktiken sind nur dann nachhaltig, wenn sie einen positiven und unverzichtbaren Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens leisten. In Bezug auf den sogenannten "Business Case" von CSR stehen viele Unternehmen allerdings noch am Anfang.
Die Wahrnehmung des Verbrauchers von Automobilmarken geht weit über die ökologische Dimension von Autos, die ja im Moment sehr in der Diskussion ist, hinaus. Es haben nämlich diejenigen Marken besonders hohe Image- und Präferenzwerte bekommen, die auch unter sozialen Aspekten, das heißt im Hinblick auf ihre Rolle als Arbeitgeber und als guter Bürger besonders gut abschneiden. Toyota ist in der ökologischen Dimension führend, hat in der sozialen und gesellschaftlichen Dimension aber Defizite. Hier punktet Volkswagen zum Beispiel herausragend. Das zeigt, dass diese Positionierung über umweltfreundliche Technologien schnell an Differenzierungskraft verlieren wird. Automobilmarken sind also gut beraten, sich umfassender zu profilieren, gerade in der Sozialdimension von Nachhaltigkeit.
Die Finanzkrise ist eine Vertrauenskrise. Die Finanzinstitute haben das Vertrauen der Bevölkerung verspielt und sind nun gefordert, es über eine nachhaltigkeitsorientierte Ausrichtung ihrer Marke wiederzugewinnen. Bislang ging das CSR-Engagement von Banken kaum über Sponsoring-Aktivitäten im Bereich von Kunst und Kultur hinaus. Heute müssen Banken CSR strategisch angehen. Sie müssen sich die Kernfrage nach ihrer Rolle in der Gesellschaft neu stellen.
Bioprodukte sind heute aus keinem Supermarkt mehr wegzudenken, und das Angebot wird kontinuierlich ausgeweitet, ganz einfach, weil die Verbraucher ein wachsendes Bewusstsein für die Anbaubedingungen von Obst und Gemüse und für die Lebensbedingungen in der Tierproduktion entwickelt haben. Die Themen artgerechte Tierhaltung und Überfischung der Weltmeere gewinnen an Bedeutung. Und das setzt sich fort bei Spielwaren, Textilien und anderen Artikeln. Verbraucher interessieren sich zunehmend für die Bedingungen, unter denen Produkte hergestellt werden, und ziehen "ethische Produkte" konventionellen Alternativen vor.
Ich finde, der Trend zu regionalem Konsum passt sehr gut in die politische Debatte protektionistischer Tendenzen in Zeiten der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, beispielsweise in Frankreich. Gerade in der jetzigen Situation wird Globalisierung von vielen auch als Gefahr wahrgenommen. Die Menschen suchen Halt und Orientierung, indem sie sich sehr viel stärker regional orientieren.
Richtig. Erfolgreiche Marken zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie aus Sicht der Konsumenten wichtig sind für die gesellschaftliche Entwicklung. Das geht also weit über das reine Geschmackserlebnis, das reine Preis-Leistungs-Verhältnis oder andere mit den technisch/physikalischen Eigenschaften eines Produktes zusammenhängende Faktoren hinaus.
Das muss es nicht zwangsläufig heißen. Es geht immer darum, wie solche Positionierungen im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen aufgeladen werden. Für Unternehmen und Marken stellt sich die Frage: Wie definiere ich meine bestehende Positionierung neu? Waren früher Geschwindigkeit, Dynamik oder Lifestyle Kennzeichen der Freude am Fahren, so kommt heute hinzu, dem Kunden das Gefühl zu geben, eine richtige Entscheidung für sich und für zukünftige Generationen getroffen zu haben.
Unternehmen und Marken müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Bedeutung sozialökologische Aspekte für die Markenführung im relevanten Markt des eigenen Unternehmens haben. Das ist die eine Empfehlung, die wir Marken geben. Die andere ist: Es geht nicht bloß um PR oder Kommunikation, sondern eine glaubwürdige Markenführung setzt immer voraus, dass Unternehmen Nachhaltigkeit als Haltung in Unternehmenskultur und Unternehmensstrategie integrieren. Es muss immer eine Balance da sein zwischen der Substanz und der Wahrnehmung. Sonst wird ein Nachhaltigkeitsengagement für eine Marke nicht langfristig erfolgreich sein. Weil sie nicht glaubwürdig ist.
changeX 22.06.2009. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.
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