Keine Rückkehr der dunklen Anzüge

Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 25 |

Von Winfried Kretschmer

Trendwende in Zeiten der Krise: Die Unternehmen kehren zu dem alten Dresscode zurück. Statt Jeans und Pullover zählen wieder Anzug und Krawatte. Bei Osborne Clarke hingegen hält man an der Dress Down Policy fest. Allerdings: Zu down soll es denn auch nicht sein.

"Aber so ist das eben: In einer super Kanzlei können weiße Hemden nicht weiß genug sein." Und in dem gewienerten Glastisch spiegelt sich das blütenweiße Hemd des smarten Junganwalts. Cut. Das Ende eines Spots aus der Persil-Fernsehwerbung. Was den Weg dorthin findet, taugt zum ehernen Klischee. Schwarze Robe, weißes Hemd, so stellen wir uns den Anwalt vor. Wer mit diesem Klischeebild im Kopf die Frankfurter Niederlassung von Osborne Clarke besucht, wird allenfalls in der Garderobe fündig. Dort hängen die beiden Insignien der Juristenzunft - für Notfälle. Für den Arbeitsalltag reicht den meisten Anwälten ein legeres Hemd zur ebensolchen Hose, und auch ihre Kolleginnen ziehen casual dem Business-Hosenanzug vor. "Wir haben die Frage der Kleiderordnung freigegeben", erläutert Hassan Sohbi, Partner im Frankfurter Büro. Offen und locker will sich die Kanzlei präsentieren, "und das versuchen wir auch mit der Kleidung auszudrücken."

Im Zweifel: dressing up statt dressing down.


Das ist einheitliche Politik in allen Niederlassungen der international agierenden Kanzlei, die neben 15 europäischen Niederlassungen seit zwei Jahren auch ein Büro im Silicon Valley unterhält. Es begann im Winter 1999, auf dem Höhepunkt der New-Economy-Welle, mit "Dress Down Fridays": Am Ende der Woche wurde es den Mitarbeitern gestattet, in legerer Kleidung zur Arbeit zu erscheinen. Mit solchem Erfolg, dass die Initiative im Sommer 2000 auf fünf Tage ausgedehnt wurde. "Positive Feedback suggests that staff wearing informal business dress feel more relaxed which also helps break down barriers between levels of seniority", heißt es dazu in dem Leitfaden "Informal Business Dress", der die Kleiderordnung regelt. Oder besser, eine Hilfestellung geben will, denn einen "rule-driven appraoch" will man erklärtermaßen vermeiden. Lässige Hose oder Rock, dunkle Jeans, Hemd, Poloshirt oder Pullover, das soll der informell gekleidete Mitarbeiter nach dieser Handreichung tragen. Im Zweifel gilt "dressing up" satt "dressing down". Für den Fall eines unerwarteten Mandantenbesuches solle aber in jedem Fall die entsprechende Business-Kluft bereitliegen, empfiehlt die Firmenrichtlinie. Nur bei Veranstaltungen gilt die klassische Kleiderordnung: dunkler Anzug und Krawatte.

Trendwende in der Kleiderfrage.


Diese Entwicklung der Kleiderordnung entspricht exakt der Entwicklung in der New Economy, wie sie in den 90er Jahren von den USA ihren Ausgang nahm. Auch dort begann es mit den Casual Fridays. Getragen von dem Wunsch, eine entspanntere Atmosphäre zu schaffen, wurden in vielen Firmen am letzten Tag der Woche die Kleidervorschriften gelockert. Diese Modewelle schwappte nach Europa und vermochte immerhin bis in die Deutsche Bank vorzudringen. In der IT-Branche sah man die Kleiderfrage von jeher lockerer. Dort wurde die Pflicht zu Anzug und Krawatte nicht selten ganz über Bord geworfen.
Mit dem jähen Ende der New Economy weht der Wind auch in Bekleidungsfragen wieder aus einer anderen Richtung. Viele Unternehmen kehren zu dem klassischen, konservativen Dresscode zurück - und auch bei der Deutschen Bank blieb der Casual Friday eine Episode. Im Trend der Zeit werkeln die Vertreter der alten Ordnung an der Restauration der überkommenen Regeln. In manche Firmen habe es freitags ausgesehen "wie auf dem Campingplatz", diktierte beispielsweise Management-Stilberaterin Sabine Schwind von Egelstein der Süddeutschen Zeitung. "Wenn man auf Bekleidungsvorschriften verzichtet, dann kommen sie eben gleich in Jeans und T-Shirt", lästert sie über das Laissez faire der Mitarbeiter.

Keine Rückkehr der dunklen Anzüge.


Von der Rückkehr der dunklen Anzüge ist in den Osborne-Clarke-Büros in Köln und Frankfurt indes nichts zu merken. Kritik am allzu lockeren Umgang mit der Kleiderfrage gab es in der Kanzlei allerdings schon. Selbstgestrickte Pullover und moderne Jeans, deren Schritt in den Kniekehlen hänge, will einer der Partner in den Kölner Fluren gesichtet haben. "Hast du gesehen, wie manche Leute hier rumrennen", schimpft er und meint: "Irgendwo muss man eine Grenze ziehen." Auch Managing-Partner Stefan Rizor zeigte sich überrascht, wie schnell die - erwünschte - Lockerheit in Lässigkeit umgeschlagen sei. Doch: Kein Grund für einen Kurswechsel, es reichte ein Appell an den hausinternen Dresscode. "Seither habe ich keine Klagen mehr gehört", so Stefan Rizor zufrieden. Immer locker bleiben - so Osborne Clarkes Devise.

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.

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www.osborneclarke.de

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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