Auf dem Weg zur Smart Factory

Gestaltungsräume im Zeitalter der Komplexität (3)
Von Cornelius Patscha, Holger Glockner und Klaus Burmeister

Wie werden wir in Zukunft arbeiten und leben? Thema der Expertenkommission "Arbeits- und Lebensperspektiven in Deutschland". Ein Positionspapier steckt das Feld ab: eine Kurzfassung in fünf Folgen. Folge 3 beschreibt die Folgen fortschreitender Technologieentwicklung.

bertelsmann_scrabble_250.jpg

Die technologische Revolution schreitet unaufhaltsam voran: So setzt sich die Mechanisierung menschlicher Arbeitstätigkeiten mittlerweile auch vermehrt in aufstrebenden Schwellenländern durch, wo bisher dank niedriger Löhne menschliche Arbeitskräfte in Produktionsprozessen gegenüber einem höheren Kapitaleinsatz bevorzugt wurden. Beispielsweise verkündete 2011 der chinesische Elektronikkonzern Foxconn - unter anderem bekannt für die Fertigung von Apple iPhones und iPads -, aufgrund steigender Lohnkosten seine bisherige Zahl von 10.000 Robotern auf eine Million Roboter erhöhen zu wollen.  

Nun hält nach der Mechanisierung, der arbeitsteiligen Massenproduktion und der Elektrotechnik und IT zunehmend auch das "Internet der Dinge" Einzug in die Produktion. Die Rede ist von der vierten industriellen Revolution: "Industrie 4.0" als Vision der digitalen Vernetzung und autonomen Kommunikation zwischen allen Gegenständen in der Welt. Praktisch funktioniert dies über die Einbettung softwareintensiver Systeme in Gegenstände des Alltags und der Produktionsprozesse in der Industrie. Vernetzt ein Unternehmen seine Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel miteinander, dann entsteht die intelligente Fabrik. In der "Smart Factory" der Zukunft kommunizieren Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel untereinander, lösen selbständig Aktionen aus und steuern sich gegenseitig. Statt der heute vorherrschenden Produktionslogik, bei der die Steuerung zentral organisiert ist, gilt hier eine dezentrale Organisation für die einzelnen Produktionsschritte. In der intelligenten Fabrik sind auch die Produkte intelligent. Sie steuern quasi ihre eigene Produktion. Die Produkte kennen ihre Historie, ihren aktuellen Zustand sowie alternative Wege zum Zielzustand und sind auch noch eindeutig identifizierbar und jederzeit lokalisierbar.


Losgröße eins


Die Digitalisierung der Produktion verschafft einer Reihe von Produktionstechnologien stärkere Bedeutung. Die mit den englischen Begriffen "Rapid Prototyping" oder "Additive Manufacturing", im Deutschen auch mit dem noch wenig bekannten Begriff "generative Fertigungsmethoden" bezeichneten Technologien benutzen digitale Produktbaupläne als Vorlage, um Gegenstände Stück für Stück aufzubauen, indem sie mehrere Materialschichten übereinanderlegen und miteinander verschmelzen. Durch dieses Verfahren wurde auch der Begriff des 3-D-Drucks geprägt. Das Veränderungspotenzial für das produzierende Gewerbe ist nicht zu unterschätzen: Losgröße eins ist auf einmal machbar! Gleichzeitig ermöglichen die neuen Technologien aber auch die Entfaltung einer neuen Kreativitäts- und Innovationskultur, in der die Kultur des Selbermachens zu gänzlich neuen Lebens- und Arbeitsweisen führen kann.  

Durch die Erschließung großer Datenmengen, das Anlegen digitaler Bibliotheken und die exponentiell wachsende Rechenkapazität wird nicht nur die Entwicklung einzelner Technologiebereiche, sondern auch die Bedeutung von Querschnittstechnologien aus den Material-, Bio-, Neuro- und Informationswissenschaften vorangetrieben - allen voran Nanotechnologie und Biotechnologie. Der Bereich der interdisziplinären Forschung ist in Deutschland mit dem breiten Netz an Forschungsinstituten der Fraunhofer-, Max-Planck-, Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft gut ausgebaut, sodass die Material- und Biotechnologien ihre Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft aller Voraussicht nach weiter steigern werden.


Handwerk hat goldenen Boden


Neue Technologien fördern Umbrüche - sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche - und beeinflussen damit die Herausbildung neuer Elemente in der Arbeits- und Lebenswelt. Diese Veränderungen geschehen mitunter binnen weniger Jahre und bringen sowohl erhebliche Anpassungsprozesse als auch die Veränderung von Lebenschancen mit sich. So bedauerlich manche Entwicklungen sein werden, eines wird ganz sicher nicht helfen: Technikfeindlichkeit und Maschinenstürmerei. Zumal zerschlagene Webstühle auch in der Vergangenheit die Automatisierung von Arbeitsprozessen nicht haben aufhalten können.  

Für die Arbeitnehmer stellt sich die Frage, welche Berufe und Tätigkeiten sie in Zukunft ausüben werden. Zwar gewinnen wissensbasierte Tätigkeiten weiter an Bedeutung, jedoch steigt auch bei ihnen der Grad der Automatisierung. Nicht jede Person bringt zudem die für wissensbasierte Tätigkeiten geeigneten Interessen und/oder Fähigkeiten mit. Eine Regel wird auf jeden Fall ihre Gültigkeit behalten: Handwerk hat goldenen Boden. Handwerkliche und personennahe Dienstleistungen werden auf absehbare Zeit nicht automatisiert werden und zählen somit zu den zukunftsrobusten Berufen, obwohl auch in diesen Bereichen durch neue Technologien einige Veränderungen zu erwarten sind, sodass kontinuierliche Weiterbildung auch hier zur Pflicht wird. Bei den personennahen Dienstleistungen ist insbesondere im Bereich des Gesundheits- und Pflegewesens aufgrund der alternden Bevölkerung in Zukunft ein vermehrter Bedarf an Arbeitskräften absehbar.


Kernthesen


  • Die anhaltenden wissenschaftlichen Fortschritte ermöglichen eine neue Stufe der Automatisierung, die jetzt auch die Rationalisierung der Wissensarbeit erfasst.

  • Die Fähigkeit der Wissenschaft, die Grundbausteine und Funktionsweise menschlicher Existenz auf der Ebene von Genen, Atomen, Bits und Bytes zu verstehen und zu beeinflussen, eröffnet grundlegend neue Horizonte und Möglichkeiten, die die Gesellschaften insgesamt herausfordern.

  • Wissenschaft und Technik werden zu wesentlichen Treibern der sozialen Entwicklung, die Gesellschaft ist darauf bisher nur rudimentär vorbereitet.

 

Folge 4 erscheint in der kommenden Woche. 


changeX 15.10.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

BS

Bertelsmann Stiftung

Weitere Artikel dieses Partners

Mit gutem Beispiel voran

Engagierte Unternehmen gesucht zum Bericht

Spotlights: Zukunft der Arbeit

19 Denkanstöße zur Zukunft der Arbeit zur Collage

Wandel als Chance

Den Wandel als Chance begreifen - Ergebnisse der Arbeit der Expertenkommission Arbeits- und Lebensperspektiven in Deutschland zum Bericht

Ausgewählte Links zum Thema

Autor

Klaus Burmeister
Burmeister

Klaus Burmeister ist Gründer und Managing Partner von Z_punkt The Foresight Company.

Autor

Holger Glockner
Glockner

Holger Glockner ist Director Foresight Consulting / Member of the Management von Z_punkt.

Autor

Cornelius Patscha
Patscha

Cornelius Patscha ist Foresight Analyst bei Z_punkt. Er studierte Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Internationale Wirtschafts-beziehungen und Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Christian-Albrechts-Universität Kiel und der Universidad de Logroño in Spanien. Dabei sammelte er Forschungserfahrung in der Entwicklungsökonomie und praktische Erfahrung im Bereich Corporate Foresight.

nach oben