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Nicht so wie ihr

"Meine Generation will so nicht arbeiten" - ein Gespräch mit Philipp Riederle
Interview: Heike Littger

Niemand muss uns anschaffen, was wir zu tun haben. Die Dinge in die Hand nehmen, das tun wir selbst. Sagt ein Digital Native über seine Generation und ihr Verständnis von Arbeit: keine Trennung von Arbeit und Leben. Wissen teilen und sich gegenseitig helfen. Plus eine Führung, die Feedback gibt statt Anweisungen. Ja, so könnte das was werden!

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Philipp Riederle ist 18 Jahre alt, macht im Mai 2013 Abitur und firmiert als Deutschlands jüngster Unternehmensberater. Sein Podcast Mein iPhone und ich kommt auf eine Million Besucher jährlich. Er hält Vorträge auf Medienkongressen und bei Unternehmen wie Audi, Deutsche Bank, Bertelsmann, O2 und Telekom. In seinem Buch Wer wir sind, und was wir wollen erklärt der Digital Native seine Generation.
 

Herr Riederle, Sie bereiten sich gerade auf Ihr Abitur vor. Schon Zukunftspläne für danach?  

Ich bin niemand, der weit in die Zukunft plant. Klar ist nur, dass ich weiter Vorträge halten und mehr von der Welt sehen möchte. Im Sommer geht es in die USA, auf die NSA Convention in Philadelphia. Dass ich mit Beratungen und Vorträgen Geld verdienen kann, ist ein angenehmer Nebeneffekt, aber nicht wesentlich: Mir geht es darum, mein Wissen weiterzugeben, interessante Diskussionen zu führen, etwas zu bewirken.
 

Und Studium?  

Mal sehen, ich denke schon.
 

Sie halten Vorträge und Sie beraten große Unternehmen - darunter Audi, Bertelsmann, die Telekom. Im Netz kursiert gar der Begriff "Vorstandsflüsterer". Wie kommt das? Was wollen Manager von Ihnen wissen?  

Mehrere Branchen verlieren gerade den Kontakt zur jungen Generation. Nehmen Sie die Automobilindustrie. Für die jungen Leute ist das Auto nicht mehr unbedingt ein Statussymbol, immer weniger Jugendliche machen einen Führerschein. Insofern verstehe ich mich als Vermittler - zwischen den Digital Natives und den Anzugträgern. Viele haben keinen Schimmer davon, in welcher Welt wir uns bewegen. Sie spüren die Veränderung. Wissen aber nicht, wie sie uns ansprechen sollen und wie sie uns für sich gewinnen können - sei es als Kunde oder als Mitarbeiter.
 

Was ist das größte Missverständnis? 

Viele fragen mich, ob das Internet nicht süchtig macht. Und warum wir uns denn nicht mehr in Wirklichkeit treffen. Die Antwort ist: Das Internet ist die Erweiterung unserer Wirklichkeit. Die digitale Welt ist kein Paralleluniversum. Sie ist Teil unserer Welt, in der wir unser Leben gestalten. Man könnte auch sagen: Unsere Welt ist ein Smartphone. Von dort geht alles aus, und deshalb ändert sich nicht nur der Umgang mit Medien, sondern ganze Lebensbereiche, Gewohnheiten und Einstellungen.
 

Ärgern Sie sich über solche Fragen?  

Nein. Nur wenn sie zu pauschal sind, nach dem Motto: "Was soll ich mit Facebook, da laufen doch auch diese Ballerspiele." Ich verstehe, dass Manager Angst davor haben, Macht und Kontrolle zu verlieren, wenn sie ihren Mitarbeitern mehr Freiräume bieten und Verantwortung übertragen. Ich verstehe aber nicht, wenn jemand krampfhaft an überholten Strukturen festhält und so gar nicht über seinen Tellerrand blicken will. Da bin ich hart. Das sollte so sein, wie bei Kindern und ihren Baumhäusern: Wer da nicht ohne Hilfe reinkommt, der soll da auch nichts zu sagen haben. Die junge Generation muss sich gegen die alte Generation durchsetzen - und weil sie diejenige ist, die in Zukunft erreicht werden soll, müssen sich die Alten eben etwas von den Jungen sagen lassen. Für mich ist es kein Wunder, dass man unserer Generation nachsagt, wir würden die Jobs wechseln wie die Unterwäsche.
 

Sie haben viele Unternehmen von innen kennengelernt, was ist Ihr Eindruck? Ist eins dabei, von dem Sie denken: "Da würde ich gerne anheuern." 

Kann ich so nicht sagen. Ich bin bei den Unternehmen als Berater, nicht als potenzieller Mitarbeiter oder Bewerber. Was mir aber auffällt: Die Bereitschaft, sich mit meiner Generation auseinanderzusetzen, wächst. Die Quote liegt gefühlt bei fifty-fifty. Die eine Hälfte will von dem neumodischen Kram nichts wissen und besteht auf feste Arbeitszeiten, definierte Strukturen und klare Ansagen. Die andere Hälfte ist offen, zugänglich und unprätentiös. Das sind die Manager, die ihre E-Mails selbst beantworten und wissen, wie man im Internet einen Flug bucht oder per Smartphone eincheckt. Sie lassen ihre Autorität nicht raushängen und nehmen die junge Generation wahr, sie wollen wirklich wissen, wer wir sind, was uns antreibt und was wir wollen.
 

Nämlich?  

Für euch Ältere bedeutet Arbeit offenbar, Zähne zusammenzubeißen, morgens aufzustehen und irgendwann erschöpft oder gar burned-out zu sein. Arbeit scheint ein grausames Übel zu sein, irgendwie den Lebensunterhalt zu bestreiten. Meine Generation kann das nicht verstehen. Oder besser gesagt: Sie will so nicht arbeiten. Sie will sich nicht in die Abhängigkeit von Arbeitgebern und Unternehmen begeben. Streng hierarchische Strukturen lehnt sie ab, ebenso die starre Unterteilung von Arbeit und Freizeit. Auch Home-Office, Gleitzeit, flexible Arbeitszeiten sind zu unflexibel und bringen ehrlich gesagt nicht viel. Es sind lediglich Angebote, die aber nicht angenommen werden können - weil Kollegen hinterrücks lästern, der Chef auf Präsenzkultur besteht und alle dafür sorgen, dass man zu Hause nichts mitbekommt.
 

Was wollt ihr stattdessen?  

Wir wollen uns beteiligen an den unterschiedlichsten Projekten. Wir wollen uns mit Menschen rund um den Globus vernetzen und uns gegenseitig uneingeschränkt helfen. Wir wollen unser Wissen teilen, anstatt es als Machtkapital anzusehen. Und wir wollen Feedback und Transparenz, ohne Geheimnistuerei oder konspirativen Flurfunk. Ganz einfach weil wir Austausch und Kooperation gewohnt sind und nicht damit aufhören wollen, nur weil einer mit einer Festanstellung winkt.
 

Ganz neu ist das nicht. Es gibt x Bücher, Studien, Aufsätze über Ihre Genration und wie sie tickt. Passiert ist nicht viel. Soziologen und Managementexperten sprechen vom Flaschenhals mittleres Management. Die dortigen Führungskräfte fördern Leute, die so gestrickt sind wie sie selbst. Und davon gibt es immer noch genug. Der Rest resigniert ...  

... oder macht sich selbständig. Ich habe das erst vor Kurzem wieder bei einem Freund gesehen. Er hatte eine großartige Idee und wollte damit gerne in eine bestimmte Abteilung wechseln. Sein Chef war einverstanden, auch dessen Chef und dessen Chef. Doch dann stellte sich ihm eine Human-Resource-Managerin in den Weg, die neue Stelle sei mit einem anderen "skill level" klassifiziert, einem höheren "minimum time of company service" und einer anderen "income group". Aus unserer Sicht ist so ein Verhalten völlig unverständlich. Mein Freund hat daraufhin gekündigt und sich mit seiner Idee selbständig gemacht. Mit Erfolg. Wir brauchen keine Banken, große Firmen und Venture-Capital-Geber mehr, die uns ein Leben lang in Ketten legen. Wir sind motiviert und wir organisieren uns wenn nötig selbst. Weil uns Sinn und Selbstverwirklichung wirklich wichtig sind. "Purpose driven business" ist angesagt. Darum geht es - nicht mehr, nicht weniger. Sonst kommen wir nicht oder machen ganz schnell wieder die Biege.
Aber wie gesagt, es ändert sich was! Meine Generation kommt ja jetzt erst so richtig in der Arbeitswelt an. Davor waren es ein paar wenige, die Speerspitze einer avantgardistischen Bewegung. 2025, also in gut zehn Jahren, soll unsere Generation bereits 75 Prozent der Erwerbstätigen stellen.
 

In der Süddeutschen Zeitung werden Sie mit der Aussage zitiert, dass einige Ihrer Klassenkameraden unter Burnout leiden, was läuft da schief? 

Die Digital Natives stehen unter permanentem Bewährungsdruck. Alles ist möglich - das kann auch ganz schön anstrengend sein.
 

Wie kommen Sie auf neue Ideen?  

Neue Ideen kommen bei mir geistesblitzartig. Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben, ich informiere mich über die Themen, die mich interessieren, und schaue, dass ich noch Zeit für mich finde, um nachzudenken und zu entspannen. In den Momenten, wo ich zur Ruhe komme, habe ich die meisten Geistesblitze. Am kreativsten bin ich, wenn ich an nichts denke. Beim Sport, in den Bergen, beim Wandern oder Skifahren, bei Dingen, die mir Spaß machen. Meine Unternehmertätigkeit macht mir selbstverständlich auch Spaß, aber bei entspannenden Tätigkeiten komme ich extrem gut zum Nachdenken. Im Grunde ist das ja bekannt. Wir wissen, dass der Mensch seine produktivsten Phasen frühmorgens und am späteren Nachmittag hat - aber warum darf er sich dann nicht mittags, wenn die Sonne scheint, mit seinen Freunden im Schwimmbad treffen? Dann kehrt er mit einer genialen Idee an seinen Arbeitsplatz zurück und zieht, just in time, wenn die Happy Hour in den Kneipen beginnt, wieder los.
Google hat das zumindest im Ansatz verstanden. Dort haben alle Mitarbeiter die Möglichkeit, 20 Prozent ihrer Arbeitszeit eigenen Ideen und Projekten zu widmen. Auf diese 20 Prozent Arbeitszeit sind laut Aussage des Unternehmens fast alle neuen Google-Produkte und -Hauptumsatzträger zurückzuführen.
 

Was halten Sie von der ganzen Work-Life-Balance-Debatte?  

Nicht viel. Das liegt daran, dass auch hier von einer Trennung zwischen Arbeit- und Privatleben ausgegangen wird. Das entspricht nicht der Realität. Schon heute wird zunehmend vernetzt geurlaubt. Nach der Rückkehr vom Strand werden E-Mails gecheckt, ein paar Dinge geklärt und Entscheidungen getroffen. Die Lösung ist meiner Meinung nach nicht wieder zurück zu Nine-to-five, sondern 24/7 - ständige Bereitschaft gepaart mit größtmöglicher Flexibilität. Natürlich besteht das Risiko, dass die Arbeitsdisziplin und die Resultate darunter leiden, wenn jeder förmlich mit dem iPad in der Hollywoodschaukel herumliegt und in der Endlosschleife mit den anderen hin- und hermailt. Es muss Verantwortung für das Projekt geben und Respekt vor Kollegen und Chef.
 

Welche Rolle spielt der Chef? Wie wichtig ist er? 

Sehr wichtig. Und er darf gerne älter sein. Was uns vorschwebt, ist ein Chef, der nicht mehr direkt anweist, sondern die richtigen Rahmenbedingungen schafft, der nicht seine Autorität ausspielt, sondern motiviert, die Richtung weist, Feedback gibt - nicht ein- oder zweimal im Jahr, sondern ständig. Die Dinge in die Hand nehmen - das tun wir selbst.
 

Fassen wir zusammen, welchen Rat haben Sie für Unternehmen? 

Baut Barrieren ab, seid offen, lasst euch ein und habt keine Angst. Die Industrie lebt von neuen Impulsen, die frisch, frech und frei daherkommen und einfach implementiert werden, wenn es passt. Und wer sollte dafür besser geeignet sein als die Jugend von heute?
 

Foto Copyright: FinePic


Zitate


"Baut Barrieren ab, seid offen, lasst euch ein und habt keine Angst." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr

"Was uns vorschwebt, ist ein Chef, der nicht mehr direkt anweist, sondern die richtigen Rahmenbedingungen schafft, der nicht seine Autorität ausspielt, sondern motiviert, die Richtung weist, Feedback gibt - nicht ein- oder zweimal im Jahr, sondern ständig. Die Dinge in die Hand nehmen - das tun wir selbst." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr #digitalnatives

"Mehrere Branchen verlieren gerade den Kontakt zur jungen Generation." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr #digitalnatives

"Unsere Welt ist ein Smartphone. Von dort geht alles aus, und deshalb ändert sich nicht nur der Umgang mit Medien, sondern ganze Lebensbereiche, Gewohnheiten und Einstellungen." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr

"Die junge Generation muss sich gegen die alte Generation durchsetzen - und weil sie diejenige ist, die in Zukunft erreicht werden soll, müssen sich die Alten eben etwas von den Jungen sagen lassen." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr

"Arbeit scheint ein grausames Übel zu sein, irgendwie den Lebensunterhalt zu bestreiten. Meine Generation kann das nicht verstehen. Oder besser gesagt: Sie will so nicht arbeiten." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr #digitalnatives

"Wir wollen uns beteiligen an den unterschiedlichsten Projekten. Wir wollen uns mit Menschen rund um den Globus vernetzen und uns gegenseitig uneingeschränkt helfen. Wir wollen unser Wissen teilen, anstatt es als Machtkapital anzusehen. Und wir wollen Feedback und Transparenz, ohne Geheimnistuerei oder konspirativen Flurfunk. Ganz einfach weil wir Austausch und Kooperation gewohnt sind." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr #digitalnatives

"Wir sind motiviert und wir organisieren uns wenn nötig selbst. Weil uns Sinn und Selbstverwirklichung wirklich wichtig sind." Philipp Riederle: Nicht so wie ihr #digitalnatives

 

changeX 01.05.2013. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Wer wir sind, und was wir wollen. Ein Digital Native erklärt seine Generation. Knaur Verlag, München 2013, 272 Seiten, 12.99 Euro, ISBN 978-3-426-78611-6

Wer wir sind, und was wir wollen

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Autorin

Heike Littger
Littger

Heike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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