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Helden, einmal anders

Angelika Höcker: Business Hero
Text: Dominik Fehrmann

Die Zeit der Helden ist vorbei? Zumindest der egomanen Heldencharaktere. Eine Trainerin und Buchautorin fasst den Heldenbegriff anders und findet ihn im Innersten jeder Person. Ihr Buch eröffnet vielfältige Perspektiven auf Veränderungsprozesse.

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Kein Drache mehr da, geschweige denn ein Jungfrauen vertilgender Minotaurus, und auch alle Kontinente sind längst entdeckt - wie kann man da noch Held sein? Welche Heldentaten bleiben noch? Oder gibt es sie auch weiterhin: finstere Dämonen und unerschlossene Terrains? In uns selbst vielleicht? "Wirf den Helden in deiner Seele nicht weg", schrieb der Heldenverehrer Nietzsche. "Halte heilig deine höchste Hoffnung." Ein Siegfried oder Theseus, so Nietzsches Überzeugung, schlummert in jedem und wird auch weiterhin gebraucht. 

Es ist diese Idee der beständigen Möglichkeit des Heldentums, den die Personalentwicklerin und Trainerin Angelika Höcker in ihrem neuen Buch aufgreift. Entgegen seinem Titel ist Business Hero mehr als nur ein Managementratgeber oder eine Coachingfibel für Geschäftsleute. Höcker entwirft ein allgemeines Modell innerlicher Veränderungsprozesse. Ausgehend von der Einsicht, dass auch jedes Change-Management letztlich bei einzelnen Menschen ansetzen muss, wendet sie sich dem veränderungsbedürftigen Individuum zu. So geht es um die Stubenhockerin, die endlich ihrem Fernweh nachgibt; um den Firmenchef, der sein Unternehmen endlich nach seinen Prinzipien und Idealen ausrichtet; um die sinnsuchende PR-Frau, die sich letztlich für ein Leben als Herbergsmutter entscheidet.


Reise zum Ich


Gemeinsam ist ihnen die Unzufriedenheit mit dem Status quo. Und die Beharrlichkeit, sich gegen allerlei Widerstände aus den Zwängen des Alltags zu befreien. Das Leben durch mehr Achtsamkeit wieder mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen in Einklang zu bringen. Höcker beschreibt diese Emanzipation als Weg zu sich selbst, als Reise zum Ich: "Es gilt hinauszuziehen, um im Ich anzukommen." Und genau da kommt der Held ins Spiel.  

Denn Höckers Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, dass sich das klassische Heldenepos als Projektion innerer Konfliktsituationen verstehen lässt. Als Veranschaulichung der psychischen Entwicklung eines Menschen im Ringen mit sich selbst, mit seinen Ansichten und Wünschen. Darauf aufbauend empfiehlt Höcker: Nehmen wir uns das Abbild wiederum zum Vorbild. Machen wir uns also die Struktur einer gelingenden Neuausrichtung mittels der Struktur des Heldenepos klar und bewusst. Und begeben wir uns auf eine solche innerliche Heldenreise. Wobei Höcker keineswegs das Leitbild des egomanischen Haudegens verficht. Ihr Held ist "demokratisch", insofern er "nicht in den Krieg zieht, um Schlachten zu gewinnen, sondern in die Welt, um sie zu einem besseren Platz nicht nur für sich, sondern für uns alle zu machen". 

Tatsächlich sind die Parallelen zwischen innerlichem Veränderungsprozess und Heldenepos verblüffend: Da ist der Ruf, der einen ereilt: die stechende Eingebung "nicht mehr weiter wie bisher". Da ist zumeist ein Mentor: jemand, der einem mit Rat zur Seite steht. Da ist der Schwellenhüter: ein innerer oder äußerer Widersacher, der einem für den entscheidenden Schritt größte Kraft abverlangt. Das Neuland: ein unbekanntes Terrain voller Gefahren, aber auch voller Verheißungen. Sowie die Belohnung: eine Erkenntnis, eine neue Wahrnehmung oder gar ein neues, besseres Leben.


Perspektiven auf Veränderungsprozesse


Man muss der Autorin gar nicht in allem folgen, um diesen Leitfaden in Sachen Heldentum mit Gewinn zu lesen. Infrage stellen ließe sich etwa die Vorstellung von einem wahren Ich, das wir durch Achtsamkeit, durch ein "In-uns-Hineinhören" aufspüren und zur Geltung bringen können wie ein verschüttetes Buch. Ist das Ich nicht vielmehr ein sich stets neu konstruierendes Geflecht sich wandelnder und zum Teil auch unvereinbarer Ansichten und Wünsche? 

Und wenn ein Held ist, wer sich aus konventionellen Denk- und Handlungsstrukturen befreit, kann man fragen, ob Höckers "Allerweltsheld" nicht ein in sich widersprüchliches Begriffsgebilde ist. Muss denn nicht Heldentum immer die Ausnahme sein? Und eine weitgehend unheldenhafte Gesellschaft voraussetzen, vor deren Konventionen das Heldentum überhaupt erst als solches erkennbar werden kann? Oder zumindest: Erleidet der Begriff des Helden durch diese Ausweitung nicht einen zu großen Substanzverlust? 

Schließlich könnten sich auch Zweifel an Höckers These regen, dass die Heldenwerdung des Einzelnen auch in der Summe segensreich wirkt. Dass mit einer "Majorität der Helden in unserer Kultur, unserer Gesellschaft und ihren Unternehmen" die Möglichkeit bestünde, "eine ganz neue Kultur zu schaffen, die freier, offener, echter und erfolgreicher zugleich wäre". Kann sich eine Gesellschaft das Standardmodell "Held" tatsächlich leisten? Oder braucht sie nicht um ihrer Stabilität willen ein recht hohes Mindestmaß an "unachtsamer" und damit "unheldenhafter" Betriebsamkeit?  

Doch derlei Fragen sind eher Ausdruck der vielfältigen Perspektiven, die Höckers Heldenmodell auf Veränderungsprozesse eröffnet. Mit Elan und kurzweiligen Abstechern in die Philosophie und Literatur beleuchtet sie in Business Hero die verschiedenen Etappen einer Heldenreise und ermuntert den Leser mittels eingestreuter Reflexionen immer wieder zur Selbstprüfung. Denn klar ist: Ein professionelles Coaching kann eine solche Heldenreise zwar anbahnen. Am Ende aber muss sich jeder selbst auf den Weg machen.


Dünger für die Achtsamkeit


Und nicht jeder, auch das stellt Höcker klar, wird auf einer solchen Heldenreise den Heiligen Gral finden, das heißt: sein unumstößliches Glück. Manch einer wird etliche solcher Reisen unternehmen. Zudem kann die "Belohnung" am Ende dieser Abenteuer sehr unterschiedlich ausfallen. Für die einen mag es tatsächlich ein völlig umgekrempeltes Leben sein, für andere "nur" die Akzeptanz ihres bisherigen. Doch in jedem Fall, versichert uns Höcker, ist eine Heldenreise "Dünger für die Achtsamkeit". So ermutigt sie uns auf originelle Weise, immer wieder innezuhalten, um Grundsätzliches zu hinterfragen, scheinbar Unmögliches zu erwägen, Alternativen zu entwickeln. Und den Helden in unserer Seele wachzuhalten. 


changeX 14.12.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Business-Hero. Eine Heldenreise in 7 Etappen. GABAL Verlag, Offenbach 2010, 216 Seiten, ISBN 978-3-86936-112-3

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Autor

Dominik Fehrmann
Fehrmann

Dominik Fehrmann ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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