Wärme im virtuellen Raum
Immer mehr Menschen treffen einander im virtuellen Raum. Lernen, tauschen sich aus, beraten über gemeinsame Projekte, fällen Entscheidungen. Online-Meetings folgen jedoch eigenen Regeln. Wer sie moderiert, sollte sie kennen und die Einschränkungen virtueller Kommunikation zu kompensieren wissen.
Die häufigste private Beschäftigung am Arbeitsplatz ist die Unterhaltung mit Kollegen, noch vor der Nutzung von Internetzugang und Telefon für private Erledigungen. Wie wichtig dieser "private" Austausch für die Entstehung guter Arbeitsbeziehungen ist, rückt gerade zu einem Zeitpunkt ins Bewusstsein, da sich unsere Arbeit mehr und mehr in den virtuellen Raum verlagert und E-Mail, Instant Messaging, Chats und Onlinekonferenzen zunehmend das persönliche Meeting und das Telefongespräch ablösen. Untersuchungen zeigen, dass diese informellen Gespräche vor, während oder nach der Arbeit den sozialen Kitt bilden, der Teams und Arbeitsgruppen zusammenhält. Ohne diese Interaktionen ist es schwieriger, Beziehungen zu anderen aufzubauen.
Dass jene spontane, informelle Kommunikation wegfällt, ist eines der zentralen Probleme von Onlinekonferenzen. Nicht umsonst werden diese von den Beteiligten oft als kalt und anonym empfunden. Hinzu kommt: Im virtuellen Raum fehlen wichtige nonverbale Elemente der Kommunikation, die in der realen Welt das gesprochene Wort ergänzen: direkter Blickkontakt, Mimik, Gestik, Körpersprache. Und nicht selten leidet auch der Tonfall der Stimme unter der Qualität der Internetverbindung.
Zusammenarbeit über Entfernungen hinweg
Nichtsdestotrotz führt an der Zusammenarbeit über Entfernungen hinweg kein Weg vorbei. Und Onlinekonferenzen sind ein effektives Mittel, diese Zusammenarbeit zu organisieren. Sie ermöglichen eine straffe Kommunikation, rasche Entscheidungswege und sparen Reisekosten, Zeit und Energie. Sagen die Moderationsexperten Josef W. Seifert und Bettina Kerschbaumer. Zugleich aber stellen Onlinekonferenzen besondere Herausforderungen an den Moderator. Er "ist hier besonders gefordert". Mit ihrem Ratgeber Online-Moderation aus der 30-Minuten-Reihe von GABAL bieten die beiden Autoren eine kompakte Lerneinheit zum Thema und geben wertvolle Tipps, wie sich die besonderen Schwierigkeiten von Online-Meetings umschiffen lassen.
Das beginnt schon bei der Vorbereitung. Reicht bei einem Meeting in der realen Welt zumeist ein kurzer Austausch von Zeit und Ort, ist in der Online-Welt mehr gefordert. Zumal dann, wenn einzelne Teilnehmer mit der Nutzung der Software nicht vertraut sind. Seifert/Kerschbaumer empfehlen, keinesfalls nur Link und Passwort zuzusenden, sondern vorab einen Technik-Check-Termin anzubieten. Zu den vorbereitenden Schritten gehört auch der Soundcheck mit den im Meetingraum eintreffenden Teilnehmern; dieser dient nicht nur zur Überprüfung von Equipment (vor allem Headset) und Internetverbindung, sondern transportiert zugleich die Information, wer schon "da" ist. Ein vom Moderator erstellter Online-Meeting-Guide kann zudem helfen, Besonderheiten im virtuellen Meeting-Raum zu verstehen und eine gemeinsame Informationsbasis herzustellen. Die darin investierte Zeit zahle sich jedenfalls in gesteigerter Effizienz des Meetings wieder aus, so die Autoren. Ganz abgesehen davon, dass eine gute Vorbereitung auch in technischer Hinsicht ein entscheidender Erfolgsfaktor ist.
Ein wenig soziale Wärme
So wie ein Moderator in der realen Welt mit Moderationstechniken und den entsprechenden Hilfsmitteln wie Flipchart, Pinnwand, Beamer, Moderationskarten und Klebepunkten vertraut sein sollte, gibt es auch bei Online-Meetings spezielle Werkzeuge, nur sind es eben andere. Seifert und Kerschbaumer geben einen allgemeinen Überblick über die verbreiteten Werkzeuge, ohne mit Details über besondere Plattformen aufzuhalten. Ihre Ratschläge zielen darauf, die Beschränkungen des Mediums durch gezielten Einsatz der technischen Möglichkeiten wettzumachen. So lassen sich Chats, Feedbackrunden, Online-Votings und "Online-Blitzlicht" genannte Kurzumfragen dazu einsetzen, die Teilnehmer einzubinden und Längen zu überbrücken.
Bei der entscheidenden Aufgabe helfen die technischen Features der mittlerweile funktionsstarken Kollaborationsplattformen nur bedingt weiter. Denn hier kommt es entscheidend auf die soziale und emotionale Kompetenz des Moderators an: dabei nämlich, "ein wenig soziale Wärme in den Online-Meeting-Raum zu bringen". Dort muss der Moderator anregen, was sich in der realen Welt meist spontan und ungezwungen ergibt: das informelle Gespräch über die mehr oder weniger wichtigen Dinge, die den Alltag der Menschen ausmachen. Und die allein Nähe herstellen können.
changeX 15.04.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Zum Buch
Josef W. Seifert, Bettina Kerschbaumer: 30 Minuten Online-Moderation. GABAL Verlag, Offenbach 2011, 80 Seiten, ISBN 978-3-86936-196-3
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.