"Wir wollen in Sie investieren!"
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 10 |
Die beiden führenden Köpfe stimmen überein: "Wir müssen offene Leute finden, die bereit sind, etwas anders zu machen", sagt Adrian Taylor, Osborne-Clarke-Manager in Frankfurt. Und Stefan Rizor aus Köln betont: "Wir brauchen die richtigen Leute mit den richtigen Grundüberzeugungen." Die Auswahl der Mitarbeiter ist für ihn von essentieller Bedeutung. Doch wie findet man die richtigen Leute? Zwei Beispiele.
"Das bin ja ich!" Tanja Engel war von den Socken. Beim Durchblättern der Stellenannoncen in der Frankfurter Rundschau war ihr ein Inserat in die Augen gestochen - und der Slogan, der da stand, hatte sie unmittelbar angesprochen: "Sounds English, acts German, thinks international", stand da in dicken weißen Lettern auf leuchtendem Orange. Ein Job mit internationalem Touch, das war das, wonach die junge Frau insgeheim suchte. Als Assistentin der Geschäftsleitung eines mittelständischen Industrieunternehmens zeichnete sie verantwortlich für das Marketing. Kein schlechter Job, aber sie vermisste eben die Internationalität und die Möglichkeit, ihre Fremdsprachenkenntnisse einzusetzen. Noch nicht wirklich zum Wechsel entschlossen, verfolgte sie den Stellenmarkt. Sie wollte die Augen offen halten, auch ihren Marktwert testen - und dann kam dieses Inserat von Osborne Clarke. Gesucht wurden Assistent/inn/en für Sekretariate und Empfang, "mit guten Englischkenntnissen und dem Wunsch, ihre berufliche Zukunft mit uns zu entwickeln". Spontan setzte sie sich an ihren Rechner und schrieb eine E-Mail an die Kontaktadresse: "Especially the Headline �Sounds English, acts German, thinks international' has made me smile - since that slogan is exactly how i see myself." Das war im Juli 2001.
Zum Arbeitsbeginn erstmal Urlaub.
"Und dann ging alles ganz schnell", erinnert sie sich: am Tag danach der Rückruf, das Vorstellungsgespräch noch in derselben Woche. In zwei weiteren Gesprächen wurde die Stellenbeschreibung definiert, denn für die ausgeschriebene Position fühlte sich die heute 30-Jährige mit abgeschlossenem Studium und fünfjähriger Berufspraxis überqualifiziert. Seit Anfang des Jahres arbeitet Tanja Engel bei Osborne Clarke Frankfurt, baut dort den Marketingbereich auf und sitzt in der "International Practice Co-ordinator's Group", die die Zusammenarbeit der 14 europäischen Niederlassungen koordiniert. Bereut hat sie den Wechsel nicht. Ihr gefällt die "sehr lockere Atmosphäre. Alles ist sehr freundschaftlich und offen, alle duzen sich, es gibt keinerlei Privilegien." Das bedeute nicht, dass es keine Hierarchien gebe - aber den Kontrast zu ihrem vorherigen Arbeitgeber, dem hierarchischen und mit patriarchalischer Strenge geführten Mittelstandsbetrieb, erlebt sie als sehr gravierend. Dort hätte sie nicht gewagt, ihren neuen Chef in spe zu fragen, ob sie ihre Stelle etwas später antreten könne, da sie den Jahreswechsel im Ausland verbringen wolle. Der indes hatte nichts dagegen. "Und so hatte ich die ersten drei Arbeitstage erst mal Urlaub", schmunzelt sie.
Szenenwechsel: Dasselbe Inserat in Köln.
In Köln fast dieselbe Geschichte.
Nur in anderer Besetzung. Auch Stepanka Stepanek fiel die orange
Annonce in der
Kölnischen Rundschau sofort ins Auge. Das Inserat wirkte
frisch, erinnert sie sich, und stach aus dem üblichen
Grau-Schwarz-Blau des Stellenteils hervor. "Ich hatte das Gefühl,
dass es sich um eine Firma handelt, die sehr viel Esprit hat,
viel Frische. Kein verstaubtes alteingesessenes Unternehmen",
beschreibt sie ihren Eindruck. Unmittelbar angesprochen hat sie
auch das Versprechen: "Wir wollen in Sie investieren." Das hat
sie so verstanden, "dass jeder in den Talenten, die er mitbringt,
gefördert wird". Das war ihr wichtig, denn sie will sich
weiterentwickeln.
Stepanka Stepanek ist zweisprachig aufgewachsen. Deutsch
und Tschechisch sind ihre Muttersprachen, wie sie sagt. Sie war
drei Jahre alt, als ihre Eltern nach dem Prager Frühling nach
Deutschland kamen. Später lernte sie dann noch fünf Fremdsprachen
dazu. Vier Sprachen hat sie studiert, Englisch spricht sie nahezu
akzentfrei. Bei Osborne Clarke ist sie am Empfang beschäftigt und
macht viele Übersetzungen, vor allem ins Englische und vice
versa.
"Immer ein Funken Persönliches dabei."
Mit ihrem neuen Job ist die
33-jährige Kölnerin rundum zufrieden. Ihr erster Eindruck beim
Lesen des Inserats hat sich für sie rundum bestätigt, im
Vorstellungsgespräch ebenso wie im Arbeitsalltag. Es ist nicht
nur Loyalität dem Unternehmen gegenüber, sondern offensichtlich
ganz ehrlich gemeint, wenn sie sagt, sie sei "sehr, sehr"
zufrieden, denn in der Firma herrsche eine angenehme Atmosphäre,
ein frischer Umgang miteinander. Was das konkret bedeute? "Dass
man sich anlacht, dass man nette Worte füreinander parat hat",
erwidert sie. "Es ist immer ein Funken Persönliches dabei."
Hat Osborne Clarke bereits so etwas wie eine
Unternehmensidentität entwickelt? Frau Stepanek meint ja. Das
Unternehmen habe von Anfang an ein eigenes Profil gehabt. Oder
ist es doch nur der Schwung der Gründung, eine Anfangseuphorie im
neuen Unternehmen, im neuen Büro, mit neuen Leuten? Wir werden
sehen. Diese Frage wird uns noch öfter beschäftigen.
Zunächst aber nochmal zurück zu Stepanka Stepanek und Tanja
Engel: Zwei junge Frauen bewerben sich auf dasselbe Inserat hin,
beide fühlen sich in ihrem Qualifikationsprofil angesprochen,
beiden gefallen die saloppen Umgangsformen. Zufall? Oder
gelungene Personalauswahl? Darum geht es in der nächsten
Folge.
Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.
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Folgen.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
© changeX [15.04.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.