Nicht nur Kaffee kochen

Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 31 |

Von Winfried Kretschmer

Auszubildende sollen nicht nur billige Arbeitskräfte sein. Leicht gesagt. Doch die Realität sieht nicht selten anders aus. Bei Osborne Clarke hingegen legt man großen Wert auf eine fundierte Ausbildung: "Stöpsel ins Ohr, und ab die Post", das soll es nicht geben. Selbstverantwortung und Eigenmotivation sind wichtige Ausbildungsziele.

Claudia Fütterer ist Bürovorsteherin. Dafür kann sie nichts - jedenfalls nicht für die antiquierte Berufsbezeichnung, die ihr ohnehin schon Hohn und Spott eingetragen hat. Ob sie sich nun einen Dutt stecke und Ärmelschoner überziehe, frotzelten ihre Bekannten, als sie vor fünf Jahren nach einer Zusatzausbildung neben dem Job - Abendschule, zweimal die Woche, zwei Jahre lang - ihre Prüfung absolviert hatte.
Dutt und Ärmelschoner, das entspricht dem Klischeebild der eingesessenen Anwaltssozietät alter Prägung. Ein Bild, das freilich längst nicht mehr der Realität entsprechen mag. Deshalb hat sich die Anwaltskammer auch zu einer Reform des Berufsbildes durchgerungen. "Rechtsfachwirt(in)" heißt die offizielle Bezeichnung nun, wobei man die Klammern getrost weglassen darf, denn es handelt sich um einen reinen Frauenberuf - von wenigen Exoten männlichen Geschlechts abgesehen.
Will Claudia Fütterer die neue Berufsbezeichnung führen, muss sie sich allerdings in zwei Kursen einer Nachprüfung stellen, weil sich auch das Qualifikationsprofil geändert hat. Das will sie im Herbst nachholen - obwohl es bei Osborne Clarke den Job der Bürovorsteherin nicht gibt. Denn um Termine und Fristen kümmern sich die Personal Assistants der einzelnen Anwälte selbst. Eine wesentliche Aufgabe hat Claudia Fütterer übernommen: Sie kümmert sich um die Ausbildung der angehenden Rechtsanwaltsfachangestellten. Rund 15 ihrer 40 Wochenstunden widmet sie dieser Aufgabe.

Nicht nur Kaffee kochen.


Sechs Auszubildende arbeiten bei Osborne Clarke in Köln. Drei von ihnen haben in diesem Sommerhalbjahr erst angefangen. Zum Beispiel Maria Farruggio, die in diesem Jahr die Realschule abgeschlossen hat und eben 16 Jahre alt geworden ist. Für Recht und Steuern hat sie sich schon immer interessiert, erzählt sie. Das wohl auch deswegen, weil sie im elterlichen Betrieb, einem italienischen Restaurant in Köln, bei der Buchhaltung ausgeholfen hat. Im Sommer war sie zwei Tage zur Probe in der Kanzlei, "damit ich Einblick bekomme, was auf mich zukommt". Das hat ihr zugesagt, und seit dem 1. August ist sie nun die jüngste Mitarbeiterin im Hause. Job und Atmosphäre gefallen ihr, wie sie versichert.
Gleiches gilt für ihre beiden Azubi-Kolleginnen, die schon einige Wochen länger in der Kanzlei arbeiten und auch ein wenig älter sind. Tanja Hack ist 18 und seit Mai im Haus. Damineh Ostad, eine junge Deutsche persischer Abstammung, ist schon 22. Beiden gefällt es "super". Die Atmosphäre, die Leute. Und "dass man wirklich etwas lernt und nicht nur Kaffee kocht", wie Damineh betont.

Praktikum zum Schnuppern.


Anders als Maria Farruggio haben die beiden vor der Unterzeichnung ihres Ausbildungsvertrages ein zweiwöchiges Praktikum in der Kanzlei absolviert. "Das soll in Zukunft die Regel sein", betont Claudia Fütterer, die neue Ideen umsetzen will. Soeben wird die Ausbildung bei Osborne Clarke reformiert, im Herbst soll das neue Modell eingeführt werden. Bislang arbeiten die Auszubildenden fest in einem Dezernat und werden von einer der Assistentinnen, gewissermaßen als Patin, betreut. Dieses Patenschaftsmodell soll nun durch ein Rotationssystem ergänzt werden. Ab Oktober werden die Auszubildenden durch die Dezernate wandern. Abwechselnd drei Monate Stammdezernat und anschließend ein bis zwei Monate Rotation, das erscheint Claudia Fütterer als eine sinnvolle Kombination. Der Vorteil liegt für sie nicht nur darin, dass die Azubis andere Rechtsgebiete kennen lernen, sondern auch andere Arbeitsmethoden. "Man kann Arbeiten auf unterschiedliche Art und Weise erledigen", sagt sie, "und so können die Mädchen selbst entscheiden, welche Methode sie wählen."

Freiwilligkeit, Selbstverantwortung, Eigenmotivation.


Zu dem Aufgabenbereich von Claudia Fütterer gehört nicht nur die Organisation der Ausbildung, sondern auch die individuelle Betreuung der Auszubildenden, zum Beispiel bei der Prüfungsvorbereitung. Weil die Patinnen im Alltagsgeschäft nicht die Zeit finden, mit den Azubis zu lernen und zu üben, hat Claudia Fütterer diese Aufgabe übernommen. Sie lernt mit ihren Schützlingen und checkt mit gezielten Fragen deren Wissensstand. Das versteht sie jedoch als Angebot, nicht als Verpflichtung. Freiwilligkeit ist ihr wichtig. "Wenn die zu mir kommen müssen, ist schon wieder Zwang dahinter", meint sie. Überhaupt legt Claudia Fütterer großen Wert auf Selbstverantwortung und Eigenmotivation. "Die Mädchen müssen selbst entscheiden, ob sie etwas tun oder nicht", betont sie, "und wenn ihre Ergebnisse nicht so gut sind, dann müssen sie auch damit zurechtkommen."

"Stöpsel ins Ohr, und ab die Post."


Sie will Vertrauensperson sein, eine Art "Obfrau", in der die Azubis eine verständnisvolle Ansprechpartnerin für ihre Anliegen finden. Diese Aufgabe liegt der jungen Frau, die den Eindruck erweckt, als könnte sie so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Nur einmal, als sie auf die Ausbildung in der Branche zu sprechen kommt, wird ihr Tonfall härter. Denn die finde oft nicht mehr im Büro statt, sondern nur noch in der Berufsfachschule, kritisiert sie. Das ist zu wenig, die Durchfallquote entsprechend hoch. Vielfach seien die Auszubildenden zuständig dafür, die Post zu holen, den Lottoschein wegzubringen und die Kanzlei mit Sandwiches für die Mittagspause zu versorgen, schimpft sie. Ansonsten erschöpfe sich die Arbeit im Abtippen von Diktaten: "Stöpsel ins Ohr, und ab die Post."

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

Foto - Ausbildung groß geschrieben: Claudia Fütterer mit den Auszubildenden im ersten Lehrjahr.
Von links nach rechts: Claudia Fütterer, Maria Farruggio, Tanja Hack und Damineh Ostad.

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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