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Raus aus den Büros

Out of Office - das neue Buch von Elke Frank und Thorsten Hübschen
Rezension: Tatjana Krieger

Was ein Wissensarbeiter weiß, ist vor allem dies: Er weiß mehr über seine Arbeit als jeder andere. Und das verändert alles. Seine Haltung, seine Stellung im Betrieb, vor allem aber seine Arbeit. Was Microsoft weiß: In der neuen Art zu arbeiten liegt die Zukunft, der eigenen Firma wie der Gesellschaft. Zwei Autoren aus der deutschen Dependance des Wissensunternehmen über die neue Arbeitswirklichkeit.

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Als Elke Frank im Sommer 2013 ihren ersten Arbeitstag bei Microsoft in München antritt, trifft sie zunächst der Kulturschock: Die Dame an der Rezeption duzt sie zur Begrüßung und führt sie dann in das Gemeinschaftsbüro der Geschäftsführung, wo sie künftig residieren soll. Statt in einem exklusiven Einzelbüro. Als Personalchefin. Einen Block, Stifte und Mappen sucht Frank vergeblich. Ihr erster Arbeitstag, ein Fiasko. 

Heute, knapp zwei Jahre später, hat sie den Schrecken bestens überwunden und veröffentlicht gemeinsam mit ihrem Kollegen Thorsten Hübschen, verantwortlich für das Office-Geschäft bei Microsoft Deutschland, ein Buch über die neue Arbeitswirklichkeit, die sich mehr und mehr Bahn bricht, bei Microsoft und anderswo: Out of Office - Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen heißt es. Darin beschreiben die Autoren nicht nur, wie der Arbeitsalltag bei ihrem Arbeitgeber heute aussieht, sie entwerfen auch ein Modell für die Arbeit der Zukunft, das den veränderten Bedürfnissen von Erwerbstätigen wie Unternehmen gerecht wird. Und sie lassen keinen Zweifel daran aufkommen, wie tiefgreifend der Einschnitt ist, den wir erleben: "Wir sind seit hundert Jahren gewohnt, Maschinen und Prozesse zu bedienen. Wir haben uns in unserer Art zu arbeiten und zu denken den Maschinen und Prozessen angepasst und unsere Gefühle untergeordnet. Aber nun erleben wir den wohl größten Wandel in der Arbeitswelt seit der industriellen Revolution, angestoßen vor allem durch moderne Technologien: Schreibtischarbeit im Büro verliert an Bedeutung, Mitarbeiter können dank mobiler Geräte und Cloud-Services unabhängig von Zeit und Ort tätig sein."


Arbeit braucht kein Ritual mehr


Der Titel des Buchs gibt zugleich die Marschrichtung vor. Denn "Out of Office" lässt sich auch als Signal zum Aufbruch verstehen: Raus aus den Büros, hinein in die Home-Offices, in den Liegestuhl, auf die Terrassen der Cafés. Arbeit findet in Zukunft überall dort statt, wo der Arbeitende mit seinem Laptop, seinem Tablet oder seinem Smartphone online gehen kann. Büros, die es natürlich auch weiterhin geben wird, auch in der sich gerade im Bau befindenden neuen Firmenzentrale von Microsoft in München-Schwabing, dienen ihrem Konzept nach eher als Begegnungs- und Kommunikationsstätten und zur Besprechung mit Kunden. "Arbeit braucht kein Ritual mehr", sagen die Autoren. Die Aussage "Ich gehe zur Arbeit" erscheint ihnen wie aus einer fernen Zeit. Heute ist es anders: "Man geht nicht mehr zur Arbeit. Man kann ins Büro gehen, weil man etwas besprechen muss, weil menschlicher Kontakt wichtig ist, weil man sich über Ziele, Arbeit und Möglichkeiten der Kollaboration austauschen will - aber nicht, weil es einen Chef oder eine Chefin gibt, die einen dort erwartet und streng blickt."  

Dreh- und Angelpunkt der Argumentation von Frank und Hübschen ist die Tatsache, dass die Wissensarbeit in hochentwickelten Volkswirtschaften wie der unseren weiter an Bedeutung gewinnen wird. Gerade Wissensarbeiter, so die Autoren, arbeiten bevorzugt autonom, haben wenige Routineaufgaben, benötigen eine andere Art von Führung und managen sich selbst. Dass sie sich in erster Linie sich selbst statt einer Organisation verpflichtet fühlen, zwingt Unternehmen bei der Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung dazu, auf die Bedürfnisse der Wissensarbeiter einzugehen und ihnen ein Arbeitsumfeld zu bieten, in dem Denker und Tüftler ideale Ergebnisse erzielen können.  

Flexible Arbeit und Deregulierung sind den Autoren zufolge dafür unerlässlich. Vorgesetzten und Betrieben obliegt es in dieser neuen Arbeitswelt, die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und sich vor allem darin zu üben, Vertrauen zu erwerben. Denn Vertrauen wird in einer Umgebung, in der sich Mitarbeiter selbst organisieren und nicht mehr kontrollieren lassen, zur neuen Kernkompetenz einer Führungskraft. "Als Arbeitgeber kann man es getrost seinen Mitarbeitern überlassen, wie sie Prioritäten setzen - wenn man vorab sehr konkret ein Ziel vereinbart hat. Wie der Weg dahin gelingt, das sind individuelle Entscheidungen. Das muss eine Führungskraft heute nicht mehr kontrollieren, sondern vielmehr unter- stützend begleiten und moderieren."


Fähigkeit zur Empathie und menschliche Nähe


Bei Microsoft etwa hat man dafür neben dem Begriff der Vertrauensarbeitszeit auch den Vertrauensort in einer Betriebsvereinbarung festgeschrieben. Statt über Fleißpunkte und Anwesenheitsprämien wird Führung über qualitative Zielvorgaben erfolgen müssen, dem Chef kommt dabei immer häufiger die Rolle eines Coaches zu. In den Worten der Autoren geht es also um die Punkte "Führung aus Distanz", "Management von Ungleichzeitigkeit", "gewandelte Präsenzorientierung" und ein neues "Verständnis von Betrieb und Betriebszugehörigkeit". Es ist ein anderes Verständnis von Management und Führung: "Es wird immer weniger Aufgabe von Führungskräften sein, Mitarbeitern etwas vorzuschreiben oder sie gar zu erziehen. Auf was es ankommen wird, ist die Fähigkeit zur Empathie und die menschliche Nähe." 

Frank und Hübschen betonen, dass deregulierte und flexible Arbeit außer einem neuen Führungsverständnis vor allem neue Technologien benötigt. Dass ihr Arbeitgeber mit der Entwicklung und dem Vertrieb ebensolcher Technologien sein Geld verdient, verleiht dem Kapitel zwar eine Note gewissen Eigeninteresses, macht den Inhalt aber nicht weniger wahr: Denn tatsächlich sind Tools wie Mikrobloggingdienste oder digitale Assistenten, die das E-Mail-Aufkommen vorsortieren und priorisieren, geeignet, das eigene Zeitmanagement oder die Kommunikation innerhalb virtueller Teams zu verbessern.


Ein digitales Bündnis für Arbeit


Daneben wird es wichtig, und hier nimmt das Buch vor allem Politik und Gesellschaft in die Pflicht, die Digitalisierung voranzutreiben. Insbesondere IT-Verantwortliche seien in ihren Entscheidungen heute noch zu sehr kosten- statt zukunftsorientiert; insgesamt sei in Deutschland in Sachen Digitalisierung und barrierefreiem Wissenstransfer ein Entwicklungsrückstand zu diagnostizieren, kritisieren die Autoren. "Die Organisation von Arbeit muss endlich den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen", fordern sie. Denn an einem freien Flow von Wissen innerhalb von Unternehmen hänge nicht zuletzt auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, ja des ganzen Landes.  

Wer hierzulande von Investitionen spricht, denkt meist noch an die Instandhaltung baulicher Infrastruktur und weniger an digitale Voraussetzungen. Damit sich das ändert, fordern die Autoren nichts weniger als ein digitales Bündnis für Arbeit in Deutschland. Gemeint ist die flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen, aber auch die Flexibilisierung von Behörden, Gesundheitswesen und Bildungseinrichtungen. Insbesondere in Schulen sehen die Autoren erheblichen Nachholbedarf: Indem sich die Bildung an den Bedürfnissen einer sich überwiegend noch rückwärtsgewandten Wirtschaft orientiere, drohten Schüler im internationalen Vergleich zurückzufallen. Denn trainiert werden durch das Schulsystem überkommene Vorstellungen von Konkurrenz statt Teamarbeit, von Wissensreproduktion statt Lösungsorientierung. Teilen von Wissen aber wird zu einer Schlüsselkompetenz: Heute komme es nicht mehr darauf an, allein Spezialist oder Experte zu sein, "sondern darauf, ob man in der Lage ist, sein Expertenwissen zu teilen, sich zu vernetzen, sich in einem Team mit Menschen aus anderen Disziplinen zu treffen und gemeinsam Lösungen zu finden."


Wenn wir bereit sind


Was das Buch lesenswert macht, ist vor allem der Wechsel zwischen theoretischen Betrachtungen, der Vision einer neuen Arbeitswelt, und praktischen Erfahrungen. Vieles, was Elke Frank und Thorsten Hübschen anregen, probieren sie bei Microsoft heute bereits aus. Insbesondere Unternehmer und Personalverantwortliche, die sich für Flexibilisierung und Deregulierung interessieren, sich bisher aber nicht richtig trauen, können sich hier Inspiration holen und Mut fassen. Sie funktioniert, die neue Arbeitswelt. Und sie holt aus den Mitarbeitern das Beste heraus.  

Es wird nichts nützen, Augen und Ohren vor dem "New Way of Work" zu verschließen und zu hoffen, dass alles so bleibe wie bisher, sagen die Autoren. Und richten einen Appell an die Unternehmen und (insbesondere) die Personalabteilungen: "Die Arbeitswelt ist bereits jetzt im Begriff, sich maßgeblich zu verändern - und wenn Unternehmen bestehen wollen, müssen sie sich spätestens jetzt mit diesem Thema beschäftigen. Wir sehen hier eine große Chance für den Personalbereich, den ,New Way of Work‘ vor allem aus strategischer Sicht zu gestalten - wenn wir bereit sind." 


Zitate


"Wir sind seit hundert Jahren gewohnt, Maschinen und Prozesse zu bedienen. Wir haben uns in unserer Art zu arbeiten und zu denken den Maschinen und Prozessen angepasst und unsere Gefühle untergeordnet. Aber nun erleben wir den wohl größten Wandel in der Arbeitswelt seit der industriellen Revolution, angestoßen vor allem durch moderne Technologien: Schreibtischarbeit im Büro verliert an Bedeutung, Mitarbeiter können dank mobiler Geräte und Cloud-Services unabhängig von Zeit und Ort tätig sein." Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office

"Arbeit braucht kein Ritual mehr. ,Ich gehe jetzt zur Arbeit‘, dieser Satz scheint wie aus einer fernen Zeit." Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office

"Man geht nicht mehr zur Arbeit. Man kann ins Büro gehen, weil man etwas besprechen muss, weil menschlicher Kontakt wichtig ist, weil man sich über Ziele, Arbeit und Möglichkeiten der Kollaboration austauschen will - aber nicht, weil es einen Chef oder eine Chefin gibt, die einen dort erwartet und streng blickt." Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office

"Es wird immer weniger Aufgabe von Führungskräften sein, Mitarbeitern etwas vorzuschreiben oder sie gar zu erziehen. Auf was es ankommen wird, ist die Fähigkeit zur Empathie und die menschliche Nähe." Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office

"Die Organisation von Arbeit muss endlich den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen. Denn an der Teilhabe von Wissen innerhalb von Unternehmen hängt nicht zuletzt auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, ja des ganzen Landes." Elke Frank, Thorsten Hübschen: Out of Office

 

changeX 15.05.2015. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Out of Office. Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen. Redline Verlag, München 2015, 272 Seiten, 19.99 Euro, ISBN 978-3-86881-582-5

Out of Office

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Autorin

Tatjana Krieger

Tatjana Krieger ist freie Journalistin in München und schreibt über Beruf, Karriere und Weiterbildung.

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