Papiertiger, zahnlos

Shortcut: "Manifest für ein neues Arbeiten"
Shortcut: Jost Burger

Microsoft hat das neue Arbeiten entdeckt. Und ein Manifest schreiben lassen. Das plädiert für die Abkehr von alten Strukturen. Und fällt genau so aus, wie man sich ein Manifest eines Großkonzerns vorstellt. Erwartbar allgemein. Aber getragen von der Haltung des Einfach-jetzt-Machens.

Flexible Arbeitsverhältnisse statt starrer Bürozeiten, Auflösung traditioneller Hierarchien, Unternehmen als Netzwerke und ein Abschied von den alten Nine-to-five-Jobs: Was sich liest wie die leicht in die Jahre gekommene Vision eines Start-ups, sind die Kernforderungen eines Dokuments, für dessen Herausgeberschaft Großkonzern Microsoft steht. Das Unternehmen hat sich mit neuen Arbeitsarchitekturen einen Namen gemacht und strebt nun nach Höherem. Zusammen mit Autor Markus Albers, Zeitmanagement-Coach Prof. Dr. Lothar Seiwert, Moderator und Blogger Richard Gutjahr und Bloggerin Ninia Binias hat das Software-Dickschiff Ende April in Berlin sein "Manifest für ein neues Arbeiten" vorgestellt.  

Auf zweieinhalb locker beschriebenen Seiten finden sich jene Wünsche an die Arbeitswelt, die seit einiger Zeit der "Generation Y" zugeschrieben werden: Arbeiten überall und immer dann, wenn es passt, Aufhebung der Trennung von Arbeit und Privatleben, ungehemmte Kreativität bei größtmöglicher Effizienz und, natürlich, globales Co-Working durch neue informationstechnologische Produktivitätswerkzeuge (am besten von Microsoft).  

"Wir fordern", heißt es auf Seite zwei des Manifests, Folgendes:

  • "ein Recht auf Arbeit, so wie wir sie wollen

  • ein Recht auf selbstbestimmte Freizeit

  • die Abschaffung von künstlichen Hierarchien

  • Strukturen, in denen wir vertrauensvoll, frei und produktiv kommunizieren können

  • Verantwortung für uns selbst und für unsere Arbeit"

Das liest sich schön. Aber auch recht unverbindlich. Und ist bei genauerem Hinsehen nichts anderes als der Versuch, die klassische Forderung von Old-School-Konzernen nach möglichst hoher Produktivität und Wertschöpfung mit dem Wunsch einer neuen, jungen Generation nach einer anderen Arbeitswelt kompatibel zu machen. "Wir haben keine Lust mehr auf Arbeiten von gestern", heißt es da gleich zu Beginn. "Wir wollen keine 9to5-Jobs machen", geht es weiter. Und es folgt die Versicherung, selbstverständlich bereit zu sein zu engagierter und intensiver Arbeit. Von der Unlust an Strukturen, Regeln und Zwang zur Selbstkontrolle bleibt da nicht viel. Geschweige denn von einer subversiven Auflehnung gegen die alten Managementstrukturen.  

Das ist so allgemein, dass es kaum irgendwo aneckt. So ausgewogen, dass es kaum wie ein Manifest wirken mag. Und wahrscheinlich so folgenlos wie das Verlangen nach Abschaffung "künstlicher" Hierarchien. Erwartbar allgemein das alles. Aber die Haltung passt genau in den Trend der Zeit: die Haltung des Einfach-jetzt-Machens.  


changeX 23.05.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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