Bis dass der Tod euch scheidet

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 4 |

Von Andreas Imping / Mitarbeit Heike Littger

Immer mehr Menschen haben einen Nebenjob. Ein Gehalt reicht oft nicht mehr. Doch Vorsicht. Bestimmte Berufskombinationen sind nicht erlaubt. Was ein Krankenpfleger, der nebenberuflich als Leichenbestatter arbeiten wollte, schmerzlich erfahren musste. Leben und Tod sind nicht miteinander vereinbar, legte das Bundesarbeitsgericht unmissverständlich fest. Folge: Ein Leichenbestatter weniger.

Fleiß wird nicht immer belohnt. Auch nicht in unserer heutigen Zeit, in der von Arbeitnehmern mehr gefordert wird als Dienst nach Vorschrift. Das musste Thorsten K. leidlich erfahren. Vor einem Jahr war der gelernte Krankenpfleger von Freiburg nach München gezogen. Ein teures Pflaster - sein Gehalt reichte kaum zum Leben. Als er die Aldi-Pizzen nicht mehr riechen konnte, meldet er sich auf eine Annonce in einer Tageszeitung. Leichenbestatter war zwar nicht sein Traumberuf, aber sich wie zu Studienzeiten nächtelang hinter eine Bar zu klemmen kam für ihn nicht mehr in Frage. Das Unternehmen sagte zu und buchte K. je nach Bedarf für seine silbernen Limousinen.
Auf einem Stationsfest erzählte K. seinem Chef von seinem Nebenjob. Er sollte ruhig wissen, was für einen fleißigen Burschen er sich da geangelt hatte. Doch anstatt K. zu loben, schnappte Professor Dr. Alfred N. nach Luft. Ein Krankenpfleger könne nicht als Leichenbestatter arbeiten. Er stehe für das Leben und nicht für den Tod!
K. wusste nicht, wie ihm geschah. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Glaubte sein Chef etwa, er würde mit dem Bestattungsunternehmen gemeinsame Sache machen? Eine Unverschämtheit. Dafür müsse sich der Chef entschuldigen. Doch N. dachte gar nicht daran. Er forderte seinen Mitarbeiter auf, seinen Nebenjob sofort an den Nagel zu hängen, ansonsten ziehe er vor Gericht.
K. stellte auf stur - und suchte sich einen Anwalt. Doch auch dieser schüttelte den Kopf: keine Chance. Erst Anfang des Jahres hatte der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichtes in einem ähnlichen Fall entschieden. Damals ging es um einen Krankenpfleger, der im Anästhesie-Bereich arbeitete und gleichzeitig im Vorstand eines Bestattungsunternehmens saß. Eine unglückliche Verquickung, wie der Richter damals bemerkte. Nicht nur dass die Richtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) gelten und eine Nebentätigkeit, "durch die die berechtigten Interessen des Dienstgebers erheblich beeinträchtigt werden", durch den Arbeitgeber untersagt werden könne. Auch die Patienten könnten nicht seelenruhig in den Narkoseschlaf fallen. "Die Tätigkeit als Krankenpfleger", so das Urteil, "dient der Rettung und Erhaltung von Leben und Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten. Damit ist eine Nebentätigkeit als Bestatter, die das Ableben der Menschen voraussetzt, aber nicht zu vereinbaren."
K. gab klein bei und sagte dem Bestattungsunternehmen ab. Einen neuen Nebenjob hat er noch nicht gefunden.

Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.

Mit einer Illustration von Limo Lechner.

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Autorin

Heike Littger
Littger

Heike Littger ist selbständige Journalistin und wohnt in Mountain View, Kalifornien. Sie schreibt als freie Autorin für changeX.

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