Wasser ist Leben ... aber leider nicht immer

Der 12. Global Dialogue in Hannover hat dazu beigetragen, die Öffentlichkeit auf das "Jahr des Süßwassers" aufmerksam zu machen.

Von Berend Hartnagel

Die weltweit größte Tagungsreihe zum Thema Nachhaltigkeit, die zur EXPO gestartet und seither fortgesetzt wurde, hatte in diesem Jahr das Thema "Wasser ist Leben - nachhaltige Prävention eines globalen Konfliktpotenzials". In der Leine- und EXPO-Stadt trafen sich der Amazonas, der Baikal- und Tschadsee, der Orange-Fluss und die Donau, der Volta mit dem Rio Grande und der palästinensischen Westbank. Außerdem hochkarätige internationale Wissenschaftler und Wasserexperten mit Aktivisten, die den Zugang zu Wasser als ein Menschenrecht verteidigten.

Ernst Ulrich von Weizsäcker
eröffnet den 12. Global Dialogue.
In den letzten 30 Jahren haben sich die Trinkwasserressourcen um mehr als ein Drittel verringert - gleichzeitig verdoppelte sich der Verbrauch und nahm die Wasserverschmutzung zu. Aber das war nicht die einzige schockierende Information während dieser Tagung. Charly Clements, Dialoggast aus den USA, Mediziner und einer der mit dem Friedensnobelpreis 1997 ausgezeichneten Aktivisten der Ächtungskampagne gegen Landminen, wies während der diesjährigen internationalen Tagung mehrfach auf einen bisher geheim gehaltenen Bericht des US-Militärgeheimdienstes aus der Zeit vor dem Ersten Golfkrieg hin: Aufklärungs- und Informationsdienste hatten damals gemeldet, dass die irakische Wasserversorgung in einem äußerst desolaten Zustand sei. Man könne erwarten, dass die maroden Wasserleitungen und andere Ursachen fataler Hygienezustände des Trinkwassers im Irak über kurz oder lang zu ernsthaften, massenhaften Erkrankungen führen würden. Dies könnte man beschleunigen und verstärken, indem man dringend benötigte Antibiotika und Chemikalien zur Reinigung von Wasser auf den Boykott-Index der Waren für den Irak setzte. Genau diese Empfehlung griff die damalige Bush-Regierung auf, um den Gegner im Vorfeld zu schwächen.
Viele Teilnehmer des Global Dialogues waren über diese Enthüllung schockiert und unterstützten Clements in seiner Absicht, die Angelegenheit vor einen Untersuchungsausschuss der Vereinten Nationen zu bringen.

Wasser im Nahen Osten.


Natürlich spielte auch das Thema Nahost eine besondere Rolle. Mesopotamien, das biblische Zweistromland, ist seit Generationen Schauplatz von Auseinandersetzungen über das knappe Gut Wasser. Fadil Kawash, stellvertretender Leiter der palästinensischen Wasserbehörde, und Zach Tagar, Projektleiter bei der weltweit renommierten Nichtregierungsorganisation Friends of the Earth (Middle East) für das Thema Wasser, waren beide sichtlich bemüht, die enorme, aber weitgehend unbekannte Bedeutung des Themas Wasser im gewalttätigen Konflikt zwischen Israel und Palästina zu versachlichen. Beide betonten die großen Kooperationschancen, die das Thema Wasser bietet, räumten aber auch ein, dass es bis jetzt keine wirklichen Fortschritte gibt. Kawash, der auch Delegierter der Friedensverhandlungen ist, zeigte sich enttäuscht, dass es bisher nicht möglich war, über Regelungen für das Wasser auch zu weiteren Friedensvereinbarungen zu gelangen: "Wasserrechte waren in dieser Region historisch immer ein Problem, aber die Menschen haben es früher stets friedlich und gemeinsam lösen können."
Es blieb dem amerikanischen Fachjournalisten Alan Weisman aus dem Wüstenstaat Arizona vorbehalten, dennoch den Finger in die Wunde zu legen, indem er konstatierte, dass die verheerende israelische Siedlungspolitik natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem "blauen Gold" steht: "Die meisten Siedlungen werden dort errichtet, wo Süßwasserquellen verfügbar gemacht werden können."

Experten aus vielen Ländern.


Blick in den Tagungsraum.
Mehr als 30 Dialoggäste hatte der EXPO-Nachfolgeverein Global Partnership diesmal nach Hannover geladen, um im Jahr des Süßwassers der Vereinten Nationen einen Beitrag zur "Veröffentlichung" dieses fundamentalen Zukunftsproblems zu leisten. Die Teilnehmer kamen auch aus Brasilien, Namibia, dem Tschad, Sri Lanka, Schweden, Frankreich, Marokko und Italien. Und natürlich nahmen deutsche Experten und viele weitere Interessierte aus Hannover und der Region teil.
Trotz eines kaum zu verstehenden Desinteresses der regionalen Presseorgane im Vorfeld dieser wichtigen Tagung über "nachhaltige Zukunftslösungen in der Gegenwart" waren am Starttag rund 150 Teilnehmer gekommen, um vor allem die Lesungen und das anschließende Gespräch der beiden "Wasserliteraten" zu hören. Und sie wurden nicht enttäuscht. Thiago de Mello, der 77-jährige Menschenrechtler und große Erzähler Brasiliens, proklamierte in ergreifender Weise sein berühmtestes Werk, die Statuten des Menschen. Der 37-jährige John von Düffel, derzeit Dramaturg an Hamburgs Thalia Theater, bestätigte seinen Ruf als einfühlsamer Autor des preisgekrönten Buches Vom Wasser und erwies sich als ebenbürtiger Gesprächspartner über die Bedeutung des Wassers in zwei unterschiedlichen Kulturen unseres Planeten. Diese großartige Einführung in die nachfolgende Tagung hat zweifellos ganz wesentlich zu einer sehr positiven Stimmung unter allen Teilnehmern des 12. Global Dialogues beigetragen. Bedauerlich und offenbar inkompetent, dass die Veranstaltung zuvor seitens einer großen hannoverschen Zeitung mit den Worten "zu abgehoben" kommentiert wurde. Franz Beckenbauer und eine WM-2006-Präsentation, die an diesem Abend als "Konkurrent" zum 12. Global Dialogue auftraten, werden dem Medienmann dieses Problem sicher nicht bereitet haben.

"Intellektueller Eiffelturm" der EXPO.


Vorträge und Grußworte des Vorstandsmitglieds der Stadtwerke Hannover-enercity, Prof. Hans-Jürgen Ebeling, des für den UN-Wasserbericht zuständigen stellvertretenden Generaldirektors der UNESCO, Prof. Walter Erdelen, sowie des stellvertretenden Generalsekretärs des Goethe-Instituts, Dr. Wolfgang Bader, waren einmal mehr Beleg dafür, dass der Global Dialogue sich als der "intellektuelle Eiffelturm" der EXPO 2000 zu etablieren beginnt. Seine Initiatoren hatten dies angesichts einer fruchtlosen Debatte während der Weltausstellung über ein Symbolgebäude der EXPO als richtiges Signal für eine nachhaltige Zukunft gefordert.
Neben der launigen und wie stets kenntnisreichen Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Veranstaltervereins, Ernst Ulrich von Weizsäcker (MdB), wirkten die zentralen Themenvorträge der schwedischen "großen alten Dame" der internationalen Wasserszene Prof. Malin Falkenmark und des UNESCO-Repräsentanten fast ein wenig überstrapaziert, und ohne die wundervolle literarische Abrundung des Tages wäre mancher Teilnehmer vielleicht "informationstrunken" davongegangen.
Als großer Erfolg für die mehr als 120 Teilnehmer am zweiten Tag des Dialogs erwies sich der große Sitzungssaal des hannoverschen Rathauses. Die Sitzanordnung dort in konzentrischen Kreisen konnte nicht besser für den Dialog zwischen Kulturen, Industrie, Versorgern, Studenten, Schülern und Nichtregierungsorganisationen geeignet sein. Ganz so, wie die Veranstalter und die Schöpfer dieser internationalen Tagungsreihe es sich erhoffen. Man darf sich wünschen, dass die Stadt und der Oberbürgermeister, der sich eine Begrüßungsansprache nicht nehmen ließ, dieses Angebot auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten. Hans Mönnighoff, fachlich stets auf Augenhöhe mitdiskutierender Umweltdezernent der Gaststadt, war derart vom Niveau und der Stimmung der Tagung angetan, dass man mit ihm als Fürsprecher sicher rechnen kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Region Hannover und das Niedersächsische Wirtschaftsministerium, das erstmals als Hauptförderer (neben Umweltlotto Bingo! und enercity) seitens der Landesregierung auftrat, ebenfalls zum Ergebnis gelangen, dass der Veranstalter und sein Programm eine Bereicherung für die Internationalität des Standortes sind.

Neue internationale Partnerschaften.


Neue Partnerschaften für die Zukunft zu schmieden und Hannover als eine gute Adresse für das Thema nachhaltige Entwicklung international zu etablieren, dieses Ziel des Global Dialogues hat sich erneut als realistisch erwiesen: Das international tätige Beratungsunternehmen aqua consult aus Hannover hat nun enge Kontakte zu den Verantwortlichen für die Rettung des Tschadsees in Westafrika; die Umweltbeauftragte der Deutschen UNESCO-Kommission war in intensive Gespräche am Rande der Tagung mit der Leiterin des Baikalsee-Informationszentrums vertieft und die erneut sehr engagierten Oberstufenschüler zweier Schulen aus Hannover erhielten Anfragen aus Nahost und Afrika für Partnerschaften mit dortigen Schulen. Ihre Präsentation zum Thema Leine-Wasser, vor allem aber die sehr pfiffige Idee einer Aktion "Schulvormittag ohne Wasser aus der Leitung", die sehr schön dokumentiert wurde, fanden ein positives Echo bei allen Dialogteilnehmern.
Dieses Projekt, das aus Anlass und in Vorbereitung auf den 12. Global Dialogue durchgeführt wurde, traf am Ende der Tagung nochmals den Kern aller Dialoggespräche: Die kampagnenerfahrenen Gastredner Clements, Kusum Athukorala (Sri Lanka) und Frank Kürschner betonten erneut, dass zur Wasserproblematik auf unserem blauen Planeten eigentlich alles gesagt ist - jetzt kommt es darauf an, dass gehandelt wird. In den Mangelregionen der Dritten Welt ebenso wie in den Industrieländern, deren Menschen dringend verstehen müssen, dass das Lebenselixier Wasser ein endliches Gut ist, das es sorgfältig zu schützen gilt und das allen Menschen in guter Qualität und ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen muss. Das Recht auf Wasser ist ein Menschenrecht!

Berend Hartnagel ist Geschäftsführer des Vereins Global Partnership Hannover e. V.

www.globalpartnership.de

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