Doktor Eisenhart
Die Entdeckung des Eisens. Stationen meines Lebens - das neue Buch von Werner Kieser.
Von Florian Michl
Ein Schweizer Trainer erkennt: Kraft ist die wichtigste körperliche Fähigkeit. Er gründet ein Studio, in dem man seine Kraft trainieren kann, sonst nichts. Keine Sauna, kein Solarium, keine Wellness. Und hat Erfolg. Was in den 60er-Jahren als Einmannunternehmen begonnen hat, ist heute ein internationaler Konzern. Nun legt Werner Kieser seine Autobiografie vor. / 12.08.08
Kieser Cover"Zu Kieser geht man, wie man zum Schuster geht, ein Handwerk braucht keine Sinnfrage zu stellen, es ist schon bei seinen Leisten." Schreibt Isolde Schaad in ihrem Roman Keiner war's. Es ist das Handwerk des präventiven und therapeutischen Krafttrainings. Und es ist die Lebensgeschichte von Werner Kieser. Eine Erfolgsgeschichte. Begonnen am Schrottplatz 1966, etabliert in Europa 1997, angekommen in Australien 2007: Kieser Training. Nun hat der 68-Jährige die Geschichte seines Lebens in Buchform vorgelegt. Es ist bereits sein achtes. Routiniert und wortgewandt spricht er über seine Ideen, Werte und Ideale. Erklärt, warum das Rückenproblem ein Kraftproblem ist, streift die Studentenbewegung der 68er-Jahre, Max Stirner - und bleibt bei alledem am Boden der Realität: "Das hier hatte nichts mehr mit mir oder meiner Tüchtigkeit zu tun, hier war ganz einfach der Zeitgeist am Werk. Fitness - ein neues Wort für eine alte Sache - war das, wonach nun jeder trachtete, der irgendwie mithalten wollte mit dieser, ach so dynamischen Zeit."

Kraft, sonst nichts.


Begonnen hat es so: Mit zehn Jahren bricht sich Werner Kieser den linken Unterarm. Nach vier Wochen beim Fußballspielen ein zweites Mal. Der Arzt warnt ihn: Wenn er sich den Arm ein drittes Mal breche, bliebe er dünn - sein Leben lang. Für Kieser eine beklemmende Erfahrung: "Dein Körper bleibt nicht einfach so, wie er ist; er verändert sich, zum Guten wie zum Schlechten, je nachdem, wie du mit ihm umgehst." Diesen Umstand bekommt er zehn Jahre später zu spüren. Er verletzt sich beim Boxen, ein Freund empfiehlt Krafttraining. Und er wird schnell wieder gesund.
Seither lässt ihm das Krafttraining keine Ruhe mehr. Zwar macht Kieser noch eine Tischlerlehre wie sein Vater und Großvater, aber nebenher schweißt er Altmetall vom Schrottplatz zu einfachen Kraftmaschinen zusammen. "Alles, was auch nur entfernt mit dem Thema Kraft zu tun hatte, war für mich interessant", schreibt Kieser. Er besucht Vorträge von Johannes Heinrich Schultz, dem Erfinder des autogenen Trainings, beschäftigt sich mit Yoga, Feldenkrais und der Alexander-Methode. Liest die wenigen Bücher, die es damals zum Thema Kraft gibt, ebenso Referate und klinische Studien von Ärzten. Reist nach Deutschland, um sich dort eines der ersten "Fitnesscenter" anzuschauen. Schließlich fühlt er sich gerüstet und eröffnet 1966 sein erstes Studio in Zürich.
Schnell erkennt er, dass das "Schweißen und Bohren ein Kinderspiel" war, gegen das, was ihm nun bevorsteht: "den Laden in Gang zu bringen". Aber wie? Kieser ist verunsichert, orientiert sich an der Konkurrenz, schafft mit geborgtem Geld Solarien an, eine Sauna, Möbel und Pflanzen. Und engagiert eine Masseuse, die eine Kawasaki mit 1.000 Kubik fährt. Kurze Zeit später ist auch er stolzer Besitzer eines Motorrades, und um eine Erkenntnis reicher: Das Beschleunigen der Maschine hebt vorübergehend die Schwerkraft auf. Ähnlich dem Schwimmen im Wasser - eine wohltuende Erfahrung, meint Kieser. Und zieht eine Parallele zum Krafttraining: "Die Ursache des gesteigerten Wohlbefindens im trainierten Zustand lässt sich mit dem Empfinden der abnehmenden Schwerkraft oder eben der gewonnenen Leichtigkeit gut vergleichen. Je stärker ich bin, umso leichter trage ich an mir."
Diese Erkenntnis ist folgenschwer. Fortan stellt er Kraft über alle anderen körperlichen Fähigkeiten. Er entfernt erst die Sauna, dann die Solarien, und schließlich alles, was nicht unmittelbar mit dem gezielten Muskelaufbau zu tun hat. Nichts soll vom Training ablenken. "Der Kahlschlag zeigte Wirkung. Etwa ein Drittel der Abonnenten erschien nicht mehr." Wieder Zweifel bei Kieser. Ein Freund empfiehlt das Buch von Gustav Grossmann Sich selbst rationalisieren. Damit soll seine Unternehmerkarriere beginnen.

Kraft für den Rücken.


Kieser bleibt hartnäckig, spezialisiert sich weiter und fixiert sogar den Umgang mit Gästen schriftlich. "Den Menschen nahe sein, ohne ihnen zu nahe zu treten" scheint ihm die wichtigste Prämisse. Davon leitet er die Regeln ab, die bis heute gelten: Erstens wird jeder mit "Sie" angesprochen und mit seinem Titel, "schließlich mussten sie dafür schuften". Zweitens werden keine Privilegien vergeben. Und drittens sollen keine Gespräche geführt werden, nur die für das Training gerade notwendigen. In der Folge entsteht in seinem Studio so etwas wie eine "Aura von Achtung" und "Vornehmheit", wie es einer seiner Gäste ausdrückt.
Der Durchbruch gelingt 1978, als die modernen und zukunftsweisenden Nautilus-Maschinen aus Amerika geliefert werden. Kieser muss mehrmals sein Studio vergrößern, um dem Gästeandrang gerecht zu werden. Schließlich reicht auch das nicht mehr. Er erinnert sich an die Maxime von Grossmann, stets nach dem Kriterium des größten Nutzens zu entscheiden. "Wenn ich expandiere", so seine Überlegung, "biete ich viel mehr Menschen Nutzen, als wenn ich mich auf meinen jetzigen Kundenstamm beschränke." Kieser expandiert: in den 80er-Jahren in der Schweiz, in den 90er-Jahren weiter nach Deutschland und schließlich in die ganze Welt. Heute gibt es in Europa 145 "Kieser Training"-Betriebe - es hat sich herumgesprochen, dass Rückenprobleme ein Kraftproblem sind.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Werner Kieser:
Die Entdeckung des Eisens.
Stationen meines Lebens.

Econ Verlag, Berlin 2008,
256 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20047-9
www.ullsteinbuchverlage.de

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: Die Entdeckung des Eisens. Stationen meines Lebens. Econ Verlag, Berlin 2008, 256 Seiten, ISBN 978-3-430-20047-9

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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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