Another ****** UK law firm?

Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 6 |

Von Winfried Kretschmer

Anders zu sein als andere Anwaltskanzleien, daraus speist sich das Selbstverständnis von Osborne Clarke. Und man ist nicht verlegen, dies nach außen hin deutlich zu machen - wenn es sein muss, mit branchenunüblichem Witz.

"Das hat Deutschland gerade noch gefehlt: Another ****** UK law firm" - eine ganzseitige Anzeige im Fachmagazin juve, fette weiße Lettern auf orangem Grund, sechs Sterne als Platzhalter für ein Schimpfwort. Die Annonce erschien im Frühjahr 2001, kurz nach der Gründung der ersten deutschen Niederlassung von Osborne Clarke in Deutschland: Hier sind wir. Oder here we are? Ganz eindeutig ist das nicht. Und es wird offen gehalten, selbst wenn es im Text der Annonce heißt, man glaube, "keine typisch englische Sozietät zu sein". Der Humor indes ist eindeutig britisch.
Wofür die sechs Sternchen stehen, darf sich der Leser selbst hinzudenken. Nein, die bekannten englischen Kraftausdrücke wollen nicht so recht passen. "Wir haben sechs Sterne gewählt, weil man so einige englische Schimpfwörter ausschließen kann", schmunzelt Adrian Taylor, der die Annonce zusammen mit Julie Lake, der Kommunikations-Chefin des britischen Mutterhauses getextet hat. In einer Branche, in der das Bemühen um seriöses Auftreten meist in Langeweile mündet, war die Annonce eine Art Paukenschlag. So frech hatte sich hier noch niemand zu Wort gemeldet. Und schon gar nicht, um hochqualifizierte Wirtschaftsanwälte zu werben.

Humor und ein bisschen Querdenken.


"Wen das abschreckt, der ist nicht der Typ von Anwältin oder Anwalt, den wir suchen", sagt Adrian Taylor. "Es ist ein Versuch offene Leute zu finden, die bereit sind, etwas anders zu machen." Sinn für Humor sei gefragt, "ein bisschen Querdenken", kurzum "jemand, der sich nicht so ernst nimmt". Adrian Taylor ist eine der zentralen Figuren bei Osborne Clarke. Seit 1997 leitet der 39-jährige Anwalt das Frankfurter Büro der englischen Sozietät - und erfüllt als "Managing Partner Germany" und "Chief Executive" eine Brückenfunktion zwischen dem englischen Mutterhaus und den Ablegern in Deutschland sowie den neun anderen Ländern, in denen die international aufgestellte Sozietät Niederlassungen unterhält.
Wir treffen ihn in der Frankfurter Niederlassung, eine Büroetage im zweiten Stock, die gar nicht wirken will wie eine Anwaltskanzlei, denn man betritt ein Großraumbüro. Der Empfang liegt in der Mitte des lang gezogenen Raumes, den ein helles Lichtband unter der Decke durchzieht. Gegenüber dem Empfangsdesk und einer kleinen Sitzgruppe sind einige Besprechungszimmer eingebaut, links und rechts dieses zentralen Bereichs öffnen sich zwei geräumige Büroflächen, die Arbeitsplätze nur durch Sichtblenden voneinander getrennt. In der Ecke rechter Hand hat Adrian Taylor seinen Schreibtisch, im Großraum wie die anderen Anwälte und Mitarbeiter auch. Am Schreibtisch neben ihm arbeitet Tanja Engel, die für die internationale Koordination zuständig ist, gegenüber Audra Eyre, die vor wenigen Wochen aus England nach Frankfurt gekommen ist.

Open Plan - Anwälte im Großraumbüro.


"Soweit wir wissen, sind wir die einzige Anwaltskanzlei im Großraumbüro", berichtet Taylor nicht ohne Stolz. "Eine Kanzlei wirkt leicht steril", sagt er, "jeder sitzt an seinem Schreibtisch hinter einer geschlossenen Tür. Das wollten wir vermeiden." In England experimentiert die Sozietät schon länger mit "Open Plan"; dort sind die Niederlassungen in Bristol, Thames Valley und London Großraumbüros. "Es ist einfacher miteinander zu kommunizieren", benennt Taylor den für ihn wichtigsten Vorteil, wichtig vor allem, "wenn man versucht in Teams zu arbeiten". Hierin liegt auch der entscheidende Unterschied zu der herkömmlichen Arbeitsweise in der Anwaltsbranche. Konsequent hat Osborne Clarke mit dem Prinzip des Einzelanwalts, der allein die von ihm akquirierten Mandate bearbeitet, gebrochen. Man arbeitet im Team gemeinschaftlich an den Fällen und sucht so verteiltes Wissen besser zu nutzen und zugleich dem Mandanten einen besseren Service zu bieten.
Dafür braucht es freilich andere Leute als den zum Einzelkämpfer getrimmten Stromlinienanwalt. Offene Leute eben, mit einer exzellenten Qualifikation dazu. Die indes sind rar auf dem Anwaltsmarkt und entsprechend umworben. Zudem ist der Ruf der englischen Kanzleien nicht der beste: "Reine Sklaverei, keine Lebensqualität, Chancen auf Partnerschaft: forget it", beschreibt Taylor das Image der Law Firms. Dort kalkuliert man je Anwalt mit mehr als 2.000 abrechenbaren Stunden im Jahr - also reine Arbeitszeit ohne Organisation, Kommunikation, Marketing etc. Bei einem Achtstundentag wären das 250 Tage. Von einem Achtstundentag spricht in der Anwaltsbranche ohnehin niemand, aber auf 2.000 Stunden zu kommen, bedeutet fast sieben Tage Arbeit die Woche. "Bei Osborne Clarke rechnen wir dagegen mit 1.300, 1.400 Billable Hours", sagt Taylor, "den Rest der Zeit nennen wir Investment Time. Das heißt Investment in die eigenen Leute und in die Mandanten: Fortbildung, Training, Mandantenbesuche, Marketing."

Kein falsches Signal.


Gegen den Ruf der Law Firms galt es also anzukämpfen, zu zeigen, dass man anders ist als die anderen. Denn in der Zeit der Fusionen und schleichenden Übernahmen mit einem falschen Signal auf den Markt zu kommen, hätte der jungen Firma leicht das Genick brechen können. Anders zu sein scheint jedoch mehr zu sein als kluge PR. Wenn man so will, bildet es ein Stück der sozialen Identität der Firma, dies wird in vielen Gesprächen mit Partnern und Mitarbeitern deutlich. Auch die Unterhaltung mit Adrian Taylor kommt immer wieder an diesen Punkt: Hier sei vieles anders als man es von anderen Anwaltsfirmen gewohnt sei, betont der junge Anwalt. "Der lockere Umgang miteinander, der legere Ton plus Lebensqualität im echten Sinne des Wortes - das macht den Unterschied", sagt Taylor. "Wir müssen rüberbringen, dass dies keine Lüge ist. Wir sagen das und wir meinen das auch so." Dass Lebensqualität für Anwälte freilich ein relativer Begriff sei, verschweigt er nicht. Seine Arbeitswoche zählt 70 bis 80 Stunden.
Wir werden sehen, ob es gelingt, den Anspruch anders zu sein einzulösen. Im Frühjahr 2001 ging es zunächst einmal darum, eine funktionierende Kanzlei auf die Beine zu stellen. Wie wir in der nächsten Folge sehen werden, war das alles andere als einfach.

Folge 7 erscheint am kommenden Montag.
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Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

www.osborneclarke.de

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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