Management by talking around
Eine 40-teilige Reportage über die Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. | Folge 17 |
Häufig war in dieser Serie schon von den Teams die Rede. Heute schauen wir hinter die Kulissen und besuchen drei Meetings. An einem Montag, bei Osborne Clarke in Köln.
Ein Montagmorgen, kurz nach Neun. Jan Pohle sieht aus, als habe er in der Früh die Haarbürste nicht gefunden, ist aber putzmunter. Das Sakko über der Schulter, kommt er zur Tür herein. Teamsitzung im Besprechungsraum Old Trafford, der wie alle Sitzungsräume bei Osborne Clarke in Köln nach einem englischen Fußballstadion benannt ist. Vier junge Anwälte und drei Personal Assistants sind bereits da. Nur Marc Sacré fehlt noch. Er hat angerufen, Montagmorgenstau auf der Autobahn, das Übliche. Dann kommt er, das Team TMT ist vollzählig. TMT steht für Technologie, Medien, Telekommunikation und ist der Fachbereich bei Osborne Clarke, der sich am stärksten auf die New Economy fokussiert. Internet ist auch das erste Thema. Jan Pohle hat einen Informationsbrief über die neuen Informationspflichten für Websitebetreiber verfasst, der als PDF-Dokument per E-Mail an die Mandanten verschickt worden ist. Kostenlos. Die Gratisinformation habe Anklang gefunden, wird resümiert. Nun soll der Text ins Englische übertragen werden. Kumarlu Menns, Solicitor Trainee aus England und Sohn jamaikanischer Eltern, übernimmt den Job. Nächstes Thema. Eine Tagesordnung gibt es nicht, man bespricht die anstehenden Punkte in loser Reihenfolge. Der Ton ist locker, manchmal frotzelnd.
Nur noch zu dritt.
Breiten Raum nimmt eine Personalfrage ein, es geht um die Mitarbeiterinnen. Man habe sich von einer Assistentin trennen müssen, berichtet Stefan Rizor, der als Geschäftsführer an der Sitzung teilnimmt. Der Anspruch, dass der menschliche Umgang miteinander klappen muss, hat eben auch eine Kehrseite: dass es mitunter eben nicht klappt. Rizor macht deutlich, dass man sich in einem solchen Fall trennen muss, möglichst im gegenseitigen Einvernehmen. Das hat funktioniert, aber das Team TMT muss nun mit einer Assistentin weniger auskommen. Zu dritt sind sie, genau genommen zweieinhalb Stellen, denn Marion Willems ist zu mindestens 50 Prozent für die Schulungen zuständig (Folge 16). Man müsse die knappen Ressourcen eben intelligent nutzen, steht als Forderung im Raum. Aber auch Grenzen werden gezogen - und da ist er wieder, der humane Anspruch. Wenn jemand, nur um die Arbeit zu schaffen, "um 6:30 kommt und um 19:30 geht, dann ist das nicht Bestandteil des Deals", betont Jan Pohle. Sprich: Dauerhafte Mehrarbeit ist unakzeptabel. Wenn es nicht geht, dann müsse man eben jemanden einstellen. Punkt.
Kurzes Update für jedermann.
Querbeet werden Fälle besprochen,
der aktuelle Stand, was zu tun ist, wer es tut. Ein kurzes Update
für jedermann. Am Ende der Sitzung hebt Jan Pohle zu einem Appell
an. Das erste Geschäftsjahr sei abgeschlossen, "mit viel Licht
aber auch einigen Schatten". Man habe die organisatorischen
Voraussetzungen geschaffen, um vernünftig arbeiten zu können. Nun
gelte es, das Unternehmen nach vorne zu bringen. "Jeder ist
aufgerufen, daran mitzuwirken", betont Pohle. TMT spielt eine
besondere Rolle dabei, denn der technologieorientierte Bereich
gilt als das Aushängeschild der Kanzlei, die in ihrem
internationalen Netzwerk hier auch einen deutlichen Schwerpunkt
setzt.
Mittags dann Partneressen im Wembley, dem größten
Besprechungsraum. Ein Partyservice hat Sandwiches und Salate
gebracht, die auf der Fensterbank aufgebaut sind. Jeder holt sich
seinen Lunch an den Tisch. Während des Essens werden die
anstehenden Themen besprochen. Zum Teil sind es die gleichen
Fragen, die im TMT-Team schon auf der Agenda standen, die nun in
der Partnerrunde erneut auf den Tisch kommen. Das Partneressen
ist ein informelles Treffen. Es dient der Information der Partner
des Kölner Büros und der Abstimmung wichtiger Entscheidungen, die
jedoch nicht in der Runde der Partner getroffen werden, sondern
im Deutschen Management Board, dem drei Anwälte aus Frankfurt und
zwei als Köln angehören. Natürlich gibt es auch beim Partneressen
keine feste Tagesordnung, ebenso wenig wie eine formelle
Abstimmung. Das Modell der Mitarbeiterbeteiligung, die Anhebung
der Gehälter, die Kleiderordnung und die Kriterien für das
geplante Bonussystem sind die wichtigsten Fragen an diesem
Montag. Entschieden wird nichts, jedenfalls nicht im Sinne einer
formellen Abstimmung. Das Verfahren ist konsensorientiert. Es ist
ein Prozess, diesen Konsens zu finden. Management by talking
around.
Keine Politik der verschlossenen Türen.
Am Nachmittag dann Postbesprechung
im Team Arbeitsrecht. Die Postbesprechung ist tägliches Ritual.
Und tägliches Kontrollinstrument, damit nichts vergessen wird.
Was kam rein, was geht raus, welche Termine sind zu beachten, das
sind die Fragen, um die es geht. Vor allem die Termine, die in
dieser Branche noch jenes Element des Unerbittlichen besitzen,
das sie anderswo oftmals schon verloren haben. Umso wichtiger ist
es, dass alle wissen, was ansteht. Dazu dient die
Postbesprechung. Andreas Imping, Head des Teams Arbeitsrecht,
nutzt das Treffen, um auch solche Fragen zu besprechen, die über
das Alltagsgeschäft hinausgehen. Ihm ist wichtig, "dass alle
Mitarbeiter alles wissen". Eine Politik der verschlossenen Türen
soll es nicht geben, betont er. Deshalb nimmt die Besprechung von
Post und Terminen zeitlich auch nur den kleineren Teil des
Meetings ein. Natürlich kommt auch die Trennung von der
Mitarbeiterin wieder zur Sprache, kein Wunder, denn in einem
jungen Unternehmen ist das noch keine Routine. Auch über die
Mitarbeiterbeteiligung wird gesprochen, ebenso über die
betriebliche Altersversorgung, über die bis November entschieden
sein soll.
Dann, endlich, die Post. Bis dahin hätte die Besprechung
im Prinzip in einer beliebigen Branche stattfinden können, doch
nun kommt das juristische Tagesgeschäft zu seinem Recht. "X gegen
Y: Schriftsatz und Fristverlängerung." Imping bittet: "Können Sie
mir die Akte bitte morgen zur Unterschrift geben." Ein Termin mit
Mandant Z steht an, ein anderer ist unbekannt verzogen.
Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.
Das Bild oben zeigt ein tägliches Ritual: die Postbesprechung bei Osborne Clarke.
Die nächste Folge erscheint kommenden Montag.
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Autor
Winfried KretschmerWinfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.