Mit beiden Beinen in der Praxis

Serie Umschulung: Folge 6 - Duales Studieren.

Von Nina Hesse

In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Gelsenkirchen hat Training and Services, der Trainingsanbieter von Siemens Business Services, einen dualen Bachelor-Studiengang entwickelt, der Theorie und Berufspraxis verknüpft. Jeder Student arbeitet während des Studiums in seiner "Partnerfirma", die ihn auch sponsert. Das Ziel: passgenau ausgebildeter IT-Nachwuchs für die Wirtschaft, um sich rechtzeitig für den Aufschwung zu rüsten.

Ein paar Praktika, hier mal jobben, da mal jobben - wenn nötig, auch mal als Postbeamter oder Sekretärin. Viele Studenten haben eher beiläufigen Kontakt zur Wirtschaft. Nach dem Studium sehen sie sich einer ganz neuen Welt mit eigenen Gesetzen und Mechanismen gegenüber - und müssen sich an ihrem neuen Arbeitsplatz mühsam einarbeiten. Dieses Handicap haben die Absolventen des dualen Bachelor-Studiengangs am Siemens Business College of Information and Communications nicht. Entwickelt wurde der Studiengang von Training and Services, dem Trainingsanbieter von Siemens Business Services, in Kooperation mit der Fachhochschule Gelsenkirchen. Er verknüpft Theorie und Praxis auf neue Art: Einerseits absolvieren die Studenten einen dreijährigen Studiengang und erwerben, wenn sie ihre Abschlussarbeit bewältigt haben, einen "Bachelor of Information and Communications". Andererseits arbeiten sie währenddessen schon in einem bestimmten Unternehmen und sind in dieses von Anfang an eingebunden - sie absolvieren ihre Praktika dort, bearbeiten ein reales Kundenprojekt für ihre Abschlussarbeit und werden nach Abschluss ihres Studiums dort weiterbeschäftigt.
"Das ist eine Qualifizierungsperspektive, die im Hinblick auf Unternehmensintegration und Schnelligkeit jedem klassischen Studium überlegen ist", meint Gesine Schmithals von Training and Services (Leitung Vertrieb Berlin). Auch Studienleiter Professor Stephan Rempel von Training and Services war von dem Konzept sofort überzeugt. "Ich fand die Idee faszinierend, weil der Ansatz darin besteht, eine Brücke zu schlagen zwischen den praktischen Erfordernissen der IT-Branche einerseits und einer akademischen Ausbildung mit staatlichem Zertifikat andererseits. Im Bereich Hightech gibt es nichts Vergleichbares."
Hat das duale Studium eine Vorreiterfunktion? Professor Detlef Mansel, der das Projekt auf der Seite der FH Gelsenkirchen betreut, erklärt: "Ich halte es für eine wichtige Ergänzung der Bildungslandschaft. Natürlich wird es weiterhin grundständige Studiengänge geben - aber für eine besondere Klientel, nämlich für Menschen, die schon im Beruf stehen, ist es ein sehr gutes Angebot."
Das schnelle Studium hat seinen Preis: Semesterferien gibt es nicht, und auch das Kommen und Gehen nach Gusto, das an normalen Unis verbreitet ist, ist verpönt. Stattdessen erwarten jeden Teilnehmer 220 knallharte Studien- und Arbeitstage pro Jahr. Kostenlos ist das privatwirtschaftliche Studium nicht: Die Studiengebühren werden jedoch vom Partnerunternehmen des Studenten getragen. Für Mansel ist das kein Nachteil: "Eine solche hohe Hürde garantiert ein hohes Commitment der Firma - denn wenn es sie etwas kostet, wird sie sich auch für den Mitarbeiter engagieren."

Makler zwischen Wirtschaft und Studenten.


Das ungewöhnliche Studium hat sich aus dem Leistungsspektrum des führenden IT-Service-Anbieters Siemens Business Services heraus entwickelt. Der Siemens-Bereich bietet Leistungen entlang der gesamten IT-Dienstleistungskette aus einer Hand - vom Consulting über die Systemintegration bis zum Management von IT-Infrastrukturen. Training and Services führt seit mehr als 20 Jahren berufsqualifizierende Lehrgänge durch, in denen Teilnehmer für ein neues Tätigkeitsfeld im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie geschult werden. Ein Bewerbercoaching am Ende des Lehrgangs hilft den Absolventen, eine qualifizierte Stelle zu finden. Im Laufe der Jahre haben sich dadurch intensive und erfolgreiche Kontakte zu Arbeitgebern innerhalb und außerhalb der Siemens AG entwickelt. Training and Services entwickelt, organisiert und betreut auch bedarfsgerechte Weiterbildungen für Unternehmen, damit das Wissen der Mitarbeiter auf dem neuesten Stand ist oder vorhandene Mitarbeiter für neue Aufgabengebiete requalifiziert werden können. Das Ziel jeweils: Wettbewerbsvorteile durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem richtigen Wissen und den richtigen Fähigkeiten.
Dieser Austausch mit der Wirtschaft zahlte sich in vielerlei Hinsicht aus, als der Gedanke an ein neuartiges Studium aufkeimte. "Aufgrund unserer Qualifizierungsmaßnahmen haben wir einen sehr guten Kontakt zu Arbeitgebern und wissen, welche Technologien sie einsetzen und was für Erfordernisse sie haben", berichtet Dr. Martin Petschke von Training and Services, der im intensiven Austausch mit der FH Gelsenkirchen das Curriculum entwickelt hat. "Die Herangehensweise ist deshalb auch eine ganz andere als bei einem normalen Informatik-Studiengang, bei dem viele abstrakte Theorien abgehandelt werden. Bei uns geht es um Technologien, die die Studenten passgenau im Berufsalltag einsetzen können."
Praktisch war der gute Draht zu Unternehmen aber auch, als es ganz konkret daranging, Partner für den dualen Studiengang zu finden. Von Anfang an agierte Training and Services als Makler zwischen Unternehmen und potenziellen Teilnehmern. Die langjährige Trainingserfahrung wirkte als Türöffner. Die Dexia Hypothekenbank in Berlin beispielsweise arbeitet seit Jahren mit Training and Services zusammen; sie hat schon eine ganze Reihe von Absolventen eingestellt, die Training and Services ihr vermittelt hatte - vor allem System- und Netzwerkspezialisten. "Wir sind sehr zufrieden mit den Leuten, die wir übernommen haben. Sie zeichnen sich durch hohe Fachkompetenz aus und können sofort eingesetzt werden", lobt Frank Plaster von der Dexia (IT-Leiter und Prokurist). So baute sich schnell ein Vertrauensverhältnis auf. "Als Siemens Business Services mit der Idee des dualen Studiengangs an uns herantrat, waren wir sofort angetan. In der Vergangenheit hatten die von Training and Services ausgebildeten Kandidaten immer ein sehr gutes Niveau."

Strenge Auswahl.


Kein Wunder: Die Vorauswahl, die Training and Services durchführt, ist streng. Wer die formalen Eingangsvoraussetzungen erfüllt, muss sich einem gründlichen DV-Eignungstest unterziehen. Hinzu kommt ein intensives persönliches Bewerbungsgespräch. "Schon im Auswahlverfahren achten wir darauf, dass die Studenten auch soziale Kompetenzen mitbringen - optimal finden wir Beraterpersönlichkeiten", meint Petra Schmoranz, Trainingsleitung Berlin und eine der beiden Vorsitzenden des College-Koordinierungsrats. Nimmt ein Bewerber alle Hürden, kommt er in einen "Pool", aus dem die beteiligten Unternehmen ihren künftigen Mitarbeiter aussuchen können. Wer kein Partnerunternehmen findet, der muss auf das Studium verzichten. Aber auch Unternehmen können geeignete Kandidaten vorschlagen, zum Beispiel einen Abiturienten aus dem eigenen Unternehmen, der nach seiner Lehre an ein Studium denkt und dem Unternehmen so verloren gehen würde. Entscheidet er sich für einen Bachelor of Information and Communications am Siemens Business College, bleibt er der Firma erhalten.

Theorie und Praxis verbinden.


Seit gut zwei Jahren läuft das Studium nun schon. Nur fünf Prozent der Studenten haben bisher abgebrochen. Besonders die Verbindung von Theorie und Praxis hat sich bewährt. Andreas Schlorke, dualer Bachelor-Student bei der Dexia, erzählt: "Es ist unheimlich wertvoll, dass man in der Firma gleich anwenden kann, was man im Studium gelernt hat." Er hatte durch einen Zeitungsartikel von dem innovativen Studiengang erfahren. Jetzt hat er die Chance, das IT-Wissen, das er sich als Kaufmann bei einer Wohnungsbaugesellschaft erworben hat, zu vertiefen und einzusetzen. Schlorke: "Für mich war es attraktiv, dass man einen internationalen Abschluss macht, kein normales Diplom."
Auch Siemens Business Services und die Partnerfirmen sind sehr zufrieden. "Bisher sind unsere Erfahrungen ausgesprochen positiv - die Erwartungen, dass Studium und Arbeit sich gegenseitig befruchten, haben sich voll erfüllt", resümiert Schmoranz. Der College-Koordinierungsrat, in dem sie mitwirkt, ist von den Partnern paritätisch besetzt. Er wacht auf der Grundlage des Hochschulgesetzes streng über die Qualität des Studiums. Aber er entwickelt dieses auch kontinuierlich weiter, denn die Technik verändert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Da ist es entscheidend, dass die Lehrinhalte stets aktuell sind. Dafür sorgen auch die Dozenten aus der Wirtschaft. "Die Dozenten sind alle sehr praxisorientiert, man kann von ihnen sehr viel Wissen mitnehmen und es sofort einsetzen - das ist ein großer Vorteil gegenüber dem normalen Studium", erzählt Schlorke begeistert.

Soft Skills werden groß geschrieben.


Neben den rein fachlichen Inhalten wie objektorientierte Softwareentwicklung, Datenbankdesign und der Administration von Linux beziehungsweise Windows trainieren die Studenten im dualen Studium Sozialkompetenz, Prozesskompetenz und Businessanalyse-Kompetenz. Betriebswirtschaftslehre gehört zum Curriculum - aus guten Gründen. "IT-Firmen haben oft einen Spagat zu bewältigen - sie müssen Computerprogramme entwickeln, die profunde technische Kenntnisse voraussetzen, aber wirtschaftlich realisiert werden sollen", erklärt Petschke. "Zudem brauchen die Mitarbeiter oft Fach-Know-how aus dem Bereich, in dem das Programm später einmal eingesetzt werden soll, zum Beispiel dem Bankwesen. Das heißt, ideal ist, wenn die Leute eine Doppelqualifikation aufbauen. Wenn sie nicht nur programmieren, sondern auch mit Kaufleuten reden können."
Aber auch Moderation, Präsentationstechniken, Controlling in Projekten und vieles mehr steht im dualen Studium auf dem Programm: am Siemens Business College sind alle Themen mit dem Erwerb von Schlüsselqualifikationen abgestimmt.
Das straff strukturierte Curriculum bildet den Prozess einer neuen oder zu verändernden Softwareapplikation oder IT-Infrastruktur ab. In der ersten, 18 Monate dauernden Phase liegt der Schwerpunkt auf der Projektrealisierung. In der zweiten Phase steht der Schritt zum Consulting im Zentrum des Lernens. Nun müssen die Studenten beweisen, dass sie eine angemessene Lösung entwickeln und über ein entsprechendes Angebot bis zum Vertrag vorantreiben können. Im Team lösen sie mehrere Fallstudien und trainieren dabei das Programmieren und das Consulting. Haben sie das bewältigt, ist es auch schon Zeit für das reale Abschlussprojekt, das jeder Student mit Unterstützung seines Betreuers in der Firma bearbeitet. Dann steht die Prüfung bevor und winkt das Abschlusszeugnis, das die FH Gelsenkirchen verleiht.

Mix aus Präsenz- und E-Learning.


Zwischen den einzelnen Theoriephasen liegen immer wieder Projektarbeiten und Praktika im Partnerunternehmen. Training and Services und die FH Gelsenkirchen hatten sich entschieden, zeitgemäße Lernmethoden in das neue duale Studium zu integrieren. Deshalb wird der Präsenzunterricht durch Lernen im Netz ergänzt. Damit bekommen die Teilnehmer Übung im Umgang mit den neuen Medien und trainieren gleichzeitig ihre Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten. Denn ihre Lerntage im Netz teilen sich die Teilnehmer frei ein. Sie können in "Selbstarbeitsphasen" Aufgaben lösen, per Newsgroup mit ihrer Lerngruppe im Business-College-Netz kommunizieren und Fragen stellen. Über eine Chat-Box, das elektronische Diskussionsforum, sind auch direkte Lerndialoge mit den anderen Studenten und dem Dozenten möglich. "Im Grundstudium wird dafür eine standardisierte E-Learning-Software verwendet, im Hauptstudium werden die Studenten aktiv eingebunden und bauen als Studienprojekt eine eigene Plattform", berichtet Studienleiter Rempel.
Training and Services stellt allen Studenten einen Laptop zur Verfügung, damit sie an ihren unterschiedlichen Arbeitsplätzen flexibel lernen und arbeiten können.

Job-Sicherheit nach dem Abschluss.


Nicht nur deshalb sind die Studienplätze begehrt - auf die erste Ausschreibung bewarben sich bereits weit mehr junge Leute, als aufgenommen werden konnten. Besonders zurzeit ist es Gold wert, nach dem Studium einen festen Job in Aussicht zu haben und garantiert übernommen zu werden. Schlorke hatte nicht die geringsten Probleme damit, dass er sich zum Ausgleich für die finanzielle Unterstützung drei Jahre an die Dexia binden muss. Praktisch ist es für ihn auch, dass er während des Studiums von der Bank ein normales Lehrlingsgehalt bekommt, denn auf Bafög hätte er keinen Anspruch. Die Dexia wiederum hält durch die Teilnahme an dem dualen Studiengang wichtige Know-how-Träger im Unternehmen. Mit der Teilnahme plant die Bank clever voraus: "Für uns ist das eine ganz bewusste Personalentwicklungsstrategie", sagt Plaster. "Wir schaffen uns mit dem dualen Studium Personal auf Vorrat. Denn wenn unser Herr Schlorke im nächsten Jahr voll einsatzfähig ist, werden wir sicher wieder Bedarf an Mitarbeitern haben. Wir planen jetzt schon für den Aufschwung - und hoffen, dass sich das bestätigt."

Zur Übersicht aller bisher erschienenen Beiträge der "Serie Umschulung".

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Kontakt:
Gesine Schmithals
gesine.schmithals-graf@siemens.com

www.siemens.com/training

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