Rock 'n' Roll und "l'esprit entrepreneur"
Europäer beraten Europäer.
| Folge 5: Pierre-Louis Morin, Repräsentant von Pleon France, und Gilles Chauveau, Leiter eines der Kompetenzzentren in Paris. |
Von Gundula Englisch
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört. Heute: In der Pleon-Niederlassung in Paris entwickeln zwei Männer mit ihrer jungen Mannschaft am liebsten außergewöhnliche Projekte.
Pierre-Louis Morin
Pierre-Louis Morin, Senior Vice-President von Pleon Frankreich.
Gar nicht so einfach, das Büro von Pleon in Paris zu finden. Aber eigentlich möchte man gar nicht aufhören, sich zu verlaufen. Denn der Weg dorthin führt mitten durch das Herz der Metropole, jenem magischen Dreieck zwischen den eleganten Kaufhauspassagen, dem Rotlichtviertel um den Place Pigalle und dem berühmten Friedhof von Montmartre, auf dem sich die großen Künstler und Gelehrten vergangener Jahrhunderte zur letzten Ruhe versammelt haben. Ein Weg also, der die Pünktlichkeit des Besuchers hart auf die Probe stellt. Zumal alle paar Meter eine Bar, ein Café oder eine Brasserie zur Einkehr locken und der Blick immer wieder nach oben schweift auf die patinierten Fassaden der Belle-Époque-Häuser mit ihren verwitterten Jalousien, ihren gedrechselten Balkongittern und ihren Fenstersimsen voller blühender Geranien.
Aber dann tritt man doch irgendwann durch das schmiedeeiserne Tor der "Villa Pierre Ginier" - und kann beim besten Willen keine Villa finden. Gilles Chauveau klärt das Missverständnis auf: "Villa - das kommt von 'village', also Dorf und bezeichnet diese für Paris typischen Häuserkarrees mit Innenhof und Eingangstor zur Straße hin." Und wer war wohl der Namensgeber Pierre Ginier? "Oh, keine Ahnung. Aber so berühmt wird er nicht gewesen sein, sonst hätte man ihm eine größere Straße gewidmet." Monsieur Chauveau schmunzelt - und seine kunstvoll nach oben gezwirbelten Schnurrbartspitzen ziehen sich noch ein Stückchen höher. Gemütlich wirkt er mit seinen graumelierten Haaren, der Nickelbrille und dem Jeanshemd unterm Sakko. Kaum zu glauben, dass er den ganzen Tag mit so unbehaglichen Dingen wie Return on Investment, Produktportfolioanalyse, Positionierung, Budget-Allokation oder Channel Marketing Management zu tun hat. Gilles Chauveau ist Präsident von Pleon CM&O und berät seit Jahren internationale Technologieunternehmen wie Microsoft oder HP bei ihren strategischen Entscheidungen. Pleon CM&O ist spezialisiert auf Marketingberatung, Marktforschung und Marketingservices und eines der drei Kompetenzzentren von Pleon in Frankreich.

Außergewöhnliche Projekte und Rock 'n' Roll.


Im 15-köpfigen Team um Gilles Chauveau sitzen nicht nur Marketiers, sondern auch Projektmanager - eine Kombination, die die Geschäftsphilosophie von Pleon CM&O widerspiegelt. "Wir arbeiten strikt projektorientiert in enger Partnerschaft mit unseren Kunden und helfen ihnen damit bei der strategischen Ausrichtung ihrer Unternehmenspolitik auf die Zukunft", sagt Gilles Chauveau. In Koproduktion mit Microsoft France hat er jüngst eine groß angelegte Untersuchung lanciert und durchgeführt, bei der es um die Erwartungen von kleinen und mittleren Unternehmen an Informations- und Kommunikationstechnik ging. Ziel war, die Prioritäten von Entrepreneuren besser verständlich zu machen und einen Dialog zwischen ihnen und den großen wirtschaftlichen und institutionellen Akteuren anzuregen. Eine Aufgabe, wie geschaffen für Gilles Chauveau. "Ich liebe es, außergewöhnliche Projekte zu entwickeln und Kunden dafür zu gewinnen. Und ich liebe es, meine Kunden davon zu überzeugen, dass es gut für sie ist, mit diesen Projekten in die Öffentlichkeit zu gehen und schließlich gemeinsam mit ihnen Einfluss auszuüben - sprich: Veränderungen zu initiieren."

Gilles Chauveau
Gilles Chauveau, Vice-President von Pleon Frankreich.
Innovation, "die Dinge anders machen" - das ist Gilles Chauveaus großes Thema, und zwar weit über das Tagesgeschäft hinaus. Als Dozent für Innovation und Marketing unterrichtet er regelmäßig Young Professionals an einer staatlichen Weiterbildungsakademie. Zugleich absolviert er zurzeit eine Qualifizierung zum Management Coach an der renommierten HEC (École des Hautes Études Commerciales). Arbeiten, lehren und lernen sind für ihn eine untrennbare Einheit - "weil wir uns in einer Welt der turbulenten Veränderungen immer wieder neu erfinden müssen".
Und wie packt er all seine Aktivitäten in eine Siebentagewoche? "Ich bin ein virtueller Teammanager", sagt Monsieur Chauveau mit der ihm eigenen Gelassenheit. "Mein Terminkalender ist eine gute Mischung aus flexiblen und strukturierten Zeiten." Das Familienleben - er wohnt mit Frau und kleiner Tochter in der Nähe von Nantes - darf dabei nicht zu kurz kommen, und selbst für das Hobby bleibt immer noch ein Time-Slot übrig. "Nun ja, früher bin ich viel Mountainbike gefahren", sagt der Mittvierziger und schaut auf seinen Bauchansatz herab. "Heute greife ich lieber zur Gitarre." Akustische Gitarre? "Nein, E-Guitar, schließlich bin ich von Haus aus Techniker." Blues und Rock spielt er, vorzugsweise Songs von Eric Clapton und Deep Purple. Schließlich hat Rock 'n' Roll ja auch etwas mit Innovation zu tun, mit der Lust, Menschen in Bewegung zu bringen und frischen Wind in die Welt zu pusten. "Den Motor anwerfen", das ist Gilles Chauveaus Lebens- und Arbeitsmotto. Seine Karriere hat der ausgebildete Technik- und Elektronikfachmann mit Managementdiplom bei Digital Equipment begonnen, dann wurde er Marketingdirektor einer internationalen Großhandelsfirma, bis er 1995 seine Beratungsagentur CM&O gegründet hat. 2001 vereint sich die Firma mit der PR-Beratung SRRP zu Brodeur Worldwide, France - der Beginn einer fruchtbaren Symbiose zwischen Marketing- und Kommunikationsberatung. Für Letztere ist Pierre-Louis Morin verantwortlich, ehemaliger Vizepräsident von SRRP und heute Chef von Pleon France.

Ein "Agitateur" im Loft-Büro.


Monsieur Morin erinnert ein wenig an den jungen Belmondo. Mit großen Schritten eilt er voran durch das loftartige Büro, das sein Vorleben als Lagerhalle nicht leugnet. Mächtige, knallgrün gestrichene Stahlträger ragen von allen Seiten in das Zentrum des Gebäudes, das als "Meeting Point" mit Bar und Sitzgruppen dient. Auf den beiden offenen Galerien oberhalb der Halle sind die Arbeitsplätze der knapp 50 Mitarbeiter untergebracht. "Unsere Mannschaft ist zwischen 24 und 30 Jahren alt, sehr dynamisch und sehr multikulturell", sagt Pierre-Louis Morin. "Das ist vielleicht auch das typisch Französische: unsere interkulturelle Erfahrung - und natürlich auch unser Drang, schnell voranzukommen und rasch zu handeln, statt tage- und wochenlang über Entscheidungen zu grübeln." Er selbst sieht sich gerne in der Rolle als "Agitateur" - als Treiber, Macher, Aufrührer. Ab und zu zündet er sich eine Zigarette an - aber nur in seinem Büro und nur, wenn es seine Besucher ausdrücklich erlauben, versichert er. Neben dem Aschenbecher liegt Jeremy Rifkins jüngstes Buch Der Europäische Traum. Was Europa für ihn bedeutet? Eine großartige und einmalige Chance, neue Wege zu gehen. "Das Schaffen eines neuen Typs von Unternehmen wie Pleon öffnet völlig neue Horizonte. Erstens, weil sich unser Zugriff auf Expertise enorm erweitert und unsere Märkte vielfältiger und spannender werden. Und zweitens, weil sich da eine spezielle europäische Geschäftskultur entwickelt, mit dezentralen Strukturen, flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Das alles macht mir sehr viel Hoffnung - und sehr viel Spaß."
Wenn Monsieur Morin mit Begeisterung spricht, schleichen sich unwillkürlich ein paar französische Worte in sein englisches Vokabular. "L'esprit entrepreneur" - das ist das, was ihn antreibt. Kein Wunder, dass Firmengründungen in der Vita des 43-Jährigen eine Hauptrolle spielen: in den 80er Jahren der Aufbau einer PR-Abteilung für eine Werbeagentur. Dann die Gründung einer weiteren PR-Agentur, die in den 90er Jahren mit DDB fusioniert und als DDB&CO. große Aufträge für internationale Firmen abwickelt. Aber Morin ist nicht recht glücklich dort: zu starre Hierarchien, zu lange Entscheidungswege, zu unbewegliche Strukturen. 1997 wechselt er in die Führungsetage von SRRP, um dort PR und Unternehmenskommunikation zu managen. So turbulent sein Berufsleben auch ist - privat bevorzugt er die Ruhe des Landlebens.

Freude an der Pionierarbeit.


Mit seiner Frau, einer passionierten Reiterin, und seinen Söhnen - sechs, neun und zwölf Jahre alt - lebt er weit außerhalb von Paris. Er selbst erholt sich gerne in der freien Natur - am liebsten beim Golfspielen, denn "das hält körperlich und mental fit". Der Preis für das entspannte Landleben ist freilich hoch - zwei Stunden Autobahn täglich und eine Arbeitszeit von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Damit er nicht im Stau stehen muss, erklärt Monsieur Morin, denn das ist für ihn, der das schnelle Vorankommen liebt, ein Gräuel. Ebenso verhasst sind ihm übrigens auch ausgedehnte Mittagessen - "oh ja", seufzt er, "ganz untypisch für einen Franzosen". Auch dem Wein kann er nichts abgewinnen - obwohl er im Bordeaux geboren und aufgewachsen ist. Ein Asket? Nein, das sei er nicht. "Das Wichtigste für mich ist, Spaß zu haben - auch bei der Arbeit. Aber nicht so sehr im Sinne von 'fun', sondern eher von 'plaisir' - von Freude, Vergnügen und Lust."
Besonderes Plaisir bereitet ihm die Pionierarbeit - die Eroberung von geschäftlichem Neuland, gemeinsam mit dem Kunden. Zum Beispiel mit Olympus - einem seiner Stammkunden. Um dem Kamerahersteller zu einem innovativen Image zu verhelfen, hat er in den 90er Jahren erstmalig in Frankreich eine virtuelle Pressekonferenz organisiert - mit modernster Technik und großer Medienresonanz. Nicht minder erfolgreich dürfte auch die jüngst gestartete Mitwirkung der Firma am Hilfsprojekt "Children of Afghanistan" sein - dem Aufbau eines Hospitals für Mütter und Kinder in Kabul, für das Olympus medizintechnische Geräte stiftet. Solche Partnerschaften zwischen Unternehmen, NGOs und Staaten liegen ganz auf der Wellenlänge von Pierre-Louis Morin. "Kooperation ist der Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs. Erst die Vernetzung unterschiedlicher Partner schafft wirklich außergewöhnliche Ideen und Projekte. Das gilt auch innerhalb unserer Branche. Alle einzelnen Bereiche - ob PR, Marketing oder Unternehmenskommunikation, sind, für sich genommen, bedeutsam. Aber erst in der Vernetzung entstehen innovative Triebkräfte." Deshalb, so Morin, hat Pleon für ihn eine Dimension, die weit über Rentabilität und Rationalisierung hinausgeht. Es ist der Beginn eines neuen ganzheitlichen Denkens, das nicht nur die verschiedenen Bereiche der professionellen Kommunikation miteinander vernetzt, sondern auch die unterschiedlichen Geschäftserfahrungen, Kulturen und Mentalitäten. Der Beginn seines europäischen Traums? "Ja", sagt Monsieur Morin, "wenn es uns gelingt, den Geist in allen Richtungen weit zu öffnen - und das ist die große Herausforderung."

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Pierre-Louis Morin ist Senior Vice-President of Pleon in Frankreich und Mitglied des europäischen Vorstands; Gilles Chauveau ist Vice-President von Pleon in Frankreich, Président von Pleon CM&O und Leiter von Marketing Practice in Europa.

Gundula Englisch arbeitet als freie Redakteurin für changeX.

Weitere Informationen:
www.pleon.com

© changeX [02.11.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Gundula Englisch, Journalistin, Autorin und Filmemacherin, arbeitet als freie Autorin und Redakteurin für changeX.

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