Die fatale Lust an der Pointe

Neue Wirtschaftsromane aus dem Campus Verlag.

Von Nina Hesse

In seinem skurrilen, pointenreichen Wirtschaftsroman Milliardenpoker lässt Garber zwei Prinzipien gegeneinander antreten: Loyalität den Mitarbeitern gegenüber versus Shareholder Value und Gewinnmaximierung. Mit Investmentbanking beschäftigt sich Derrick Niedermans Krimi Tod eines Traders.

Alle denken, dass es ein Witz ist: AIW, eine kleine Firma mit ausgesprochen schlechtem Ruf und ohne nennenswerte Geldwerte will den Computer-Giganten PegaSys kaufen. Woher will AIW die Kleinigkeit von 14 Milliarden Dollar nehmen? PegaSys-Chef Scott Thatcher und seine Crew stehen vor einem Rätsel. Doch sie nehmen den Versuch einer feindlichen Übernahme dennoch ernst - zu ihrem Glück. Denn es gibt Tricks, durch die so etwas tatsächlich funktionieren kann. Und nach und nach stellt sich heraus, dass hinter AIW mächtige Interessen stehen ...

Ein Kampf der Prinzipien.


Joseph Garbers Roman ist skurril, witzig, überdreht. Was für ein Kontrast zu der braven Business-Prosa, die Autoren wie Eliyahu Goldratt produzieren! Mit Genuss lässt Garber seine aufrechten New Yorker Helden gegen diverse Finsterlinge antreten. Zum Beispiel den Chef von AIW, einen schäbigen, schmierigen Provinzler namens Roger Shawby, Sohn eines Kriegsgewinnlers. Nach und nach wird klar, dass ihr Duell auch ein Kampf der Prinzipien ist: Scott Thatcher ist ganz integrer Patriarch, der zu seinen Mitarbeitern hält und dafür auch einen geringeren Gewinn in Kauf nimmt. Shawby dagegen setzt, wie könnte es anders sein, auf Härte, Shareholder Value und den schnellen Dollar. Es ist eins von Thatchers Problemen, dass zwei Drittel der PegaSys-Aktien institutionellen Anlegern gehören, die sich auf ihre Verantwortung als Treuhänder berufen und nur zu gerne bereit sind, solche kurzfristigen Gewinne mitzunehmen. Ein anderes ist, dass zwei seiner Spitzenleute vor allem mit ihren Beziehungskisten beschäftigt sind und krampfhaft geheim zu halten versuchen, dass sie sich ineinander verliebt haben.

Ein paar Pointen zu viel.


Irgendwie bringt es Garber fertig, trotz der Schwarzweißmalerei vielschichtige Figuren zu erschaffen - wahrscheinlich ist ihm bewusst, dass er nur so auch anspruchsvollere Leser bei der Stange halten kann. Er nimmt sich eine Menge Zeit für seine zahlreichen Hauptpersonen und leuchtet ihre Geschichte, ihren Hintergrund, ihre Eigenschaften und Interessen aus - gnadenlos satirisch übersteigert. Natürlich fehlen in seinem Figurenkabinett auch die Klischees nicht: Durch seinen Roman geistern schlampige, pizzaverschlingende Hacker, eiskalte Yakuza-Killer und korrupte amerikanische Gewerkschaftsbosse. Doch da Garber sie nicht ernst nimmt und dem Leser mit einem Augenzwinkern präsentiert, nimmt man sie gerne in Kauf.
Bis er es übertreibt. Irgendwann gleitet die Handlung in Slapstick und Gaunerkomödie ab, gewinnt Garbers Lust an Pointen und skurrilen Wendungen die Oberhand. Seite für Seite geht ihm ein Stück Glaubwürdigkeit verloren, nimmt man PegaSys' Probleme weniger ernst. Über die Raffinesse, mit der die Guten zum Schluss das Ruder herumreißen, freut man sich natürlich trotzdem.

Innenansicht von Wall Street.


Auf eher dezenten Humor setzt Derrick Niederman sehr erfolgreich in seinem Krimi Tod eines Traders. Der Fall: Cliff Cavanaugh, ein ehemaliger Analyst und Investment-Profi, der sich jetzt als Detektiv betätigt, bekommt nach langer Flaute endlich mal wieder einen Auftrag auf den Tisch. Der Tote, ein erfolgsverwöhnter und arroganter Portfolio-Manager, ist ausgerechnet Cliffs ehemaliger Chef Hooperman. Mit Hilfe seiner attraktiven Assistentin, der Studentin und Möchtegern-Schauspielerin Tracy, macht sich Cliff daran, die Verflechtungen der Investmentbranche ein Stück weit aufzudröseln und herauszufinden, wer ein Interesse an Hoopermans Tod gehabt haben könnte.
Dieser klassische Plot ist natürlich ein perfektes Vehikel, um Wissen zu transportieren. Jedes Mal, wenn Cliff einen Akteur der Wall Street verhört oder sich Börsen-Neuling Tracy einen Verdächtigen vornimmt, steht dabei auch ein anderes Thema im Mittelpunkt: Vom Aktiensplitting bis hin zu Kurs-Rendite-Zusammenhängen oder den Tücken von IPOs (der Laie würde ‚Börsengang' sagen). Keineswegs plump didaktisch, sondern mit Charme und einem Augenzwinkern. Noch faszinierender ist allerdings der Einblick in die Arbeit von Portfolio-Managern, Brokern und Analysten und was man über die kleinen Tricks der Branche erfährt. Niederman nimmt den Leser mit in die Welt hinter den Aktienkursen.

Story keine Nebensache.


Stil und Story sind für Niederman keine Nebensache. Seine Dialoge - besonders die zwischen Cliff und Tracy - sind witzig, die Personen gut charakterisiert. Selbst seine Nebenfiguren sind wunderbar lebendig und werden unnachahmlich treffend beschrieben. Und doch enttäuscht die Auflösung ein wenig. Krimis nach diesem Strickmuster beziehen ihren Reiz nicht zuletzt daraus, dass der Leser miträtseln darf und soll, wer denn der Täter ist. Die Gesetze des Genres gebieten, dass ihm alle Informationen zur Verfügung stehen, die der Detektiv auch hat. Aber was ist, wenn der Leser vom Fachverstand her nicht mithalten kann? Dann kann er nur noch die Auflösung akzeptieren, die ihm präsentiert wird. Und auf die er sowieso nie gekommen wäre.

Joseph Garber:
Milliardenpoker.
Feindliche Übernahme einer Firma,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2002,
377 Seiten, 24,90 Euro,
ISBN 3-593-37172-3
www.campus.de

Derrick Niederman:
Tod eines Traders.
Ein Investment-Krimi,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003,
260 Seiten, 21,50 Euro,
ISBN 3-593-36779-3
www.campus.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

© changeX Partnerforum [25.02.2003] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.



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Zu den Büchern

: Milliardenpoker. . Feindliche Übernahme einer Firma.. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 377 Seiten, ISBN 3-593-37172-3

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: Milliardenpoker. . Feindliche Übernahme einer Firma.. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 377 Seiten, ISBN 3-593-37172-3

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Nina Hesse

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