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Business Book of Horror - das neue Buch von Stefan Frädrich.
Von Florian Michl
Immer wieder passiert es: Die Nerven liegen blank. Die Wut wächst. Dann garantieren wir für nichts mehr! Zum Beispiel in der Endlosschleife eines Callcenters. Wenn die Aktien in den Keller rasseln. Oder das Gepäck woanders landet als man selbst. Daraus sind die Horrorgeschichten des Business-Alltags gestrickt. Ein Erfolgsautor hat sie gesammelt und herausgegeben. Gruselig. / 23.09.08
Fädrich CoverTropfen für Tropfen fällt auf den Kopf des Gefangenen - gleichmäßig, ohne Unterbrechung, stunden- und tagelang. So brachte man im alten China Verräter zum Reden. Denn das macht mürbe, und kurz vor dem Wahnsinn sagt man zu allem Ja. An Aktualität hat diese Methode anscheinend nicht verloren. "Im 21. Jahrhundert wurde dieses Prinzip wiederentdeckt: in den Warteschleifen von Callcentern", ist der Autor und Kabarettist Eckart von Hirschhausen überzeugt. Als Beispiel nennt er die Lufthansa, die mit besonderer Begabung ihre Anrufer foltere: "Da wartet man im Schnitt länger, als man dann später in der Luft ist. Und könnte schon gleich aus Wut direkt in die Luft gehen."
Eckart von Hirschhausen ist einer der zahlreichen Autoren des Buches, die sich mit dem Wahnsinn des Geschäftsalltags auseinandergesetzt haben und von ihren persönlichen Erlebnissen erzählen. Witzig, ein wenig lehrreich und traurig zugleich. Im Hinterkopf ist dabei immer die Frage: Ist das möglich? Wie kommt solches Fehlverhalten zustande? Wieso beherrscht ein renommierter Autobauer die einfachsten Methoden des Kundenservice nicht? Und wieso unterbreiten Mitarbeiter eines Callcenters ihren Kunden Angebote, die gar nicht zur Verfügung stehen? Antworten darauf geben beispielsweise Erich-Norbert Detroy, Cristian Galvez, Cornelia Topf und Martin Limbeck. Ein Buch, in dem der Horror fröhliche Urständ feiert: Schonung kommt keinem zu.

Wenn jetzt jemand ranginge ...


Es ist wie im Gruselkabinett: Jede Menge Blut, Totenschädel, Spinnen, Raben sowie Dornenranken und herausgelöste Augäpfel zieren Buchseite um Buchseite. Diese grafischen Elemente winden sich um Selbstüberschätzung, Leichtsinn und Dummheit. Daraus sind die Horrorgeschichten gestrickt. Und zumeist ist es der Kunde, der darin in den sauren Apfel beißt, die Nerven verliert und kurz vor einem Wutausbruch steht. Wie der Anrufer beim Callcenter, dem man per Tonband bereits zum 36. Mal sagt, wie wichtig man seinen Anruf nehme, und ihn bittet, er möge nicht auflegen, weil sich bestimmt gleich jemand meldet - ja, wenn jetzt jemand ranginge: "Ich würde ihn erst verbal zusammenscheißen, dann sämtliche Callcenter der Lufthansa auf der ganzen Welt in Schutt und Asche legen. Und es würden Wochen vergehen, bis jemand einen Unterschied im Service überhaupt bemerkt!" Schreibt Hirschhausen süffisant.
Von solchen Übertreibungen lebt das ganze Buch, aber jede Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, versichern die Autoren. Wie die Beobachtungen von dem Trainer und Coach Dirk Kreuter auf einer Messe: "Mittendrin steht eine Hostess. Sehr hübsch, sehr blond, sehr lange Beine. Ultrakurzer Minirock. An die Frau kann ich mich gut erinnern - an die Firmenpräsentation nicht ansatzweise." Sagt er. Gefragt sei vielmehr kompetentes Personal, das Produkte, Investitionsgüter oder Dienstleistungen prägnant erklären kann - nicht Models, die in absonderlichen Kostümen über die Messe ziehen: als Telefone, Früchte oder Flaschen, tanzend oder auf Rollerblades. Schlimm auch, wenn der Mitarbeiter kein Englisch spricht, oder eine "Weltneuheit" angekündigt wird, aber der Prototyp nicht rechtzeitig fertig geworden ist.

Das Genie und das Chaos.


Schonung finden auch nicht der Büroalltag und dessen Missstände. So erzählt der Trainer Erich-Norbert Detroy beispielsweise die Geschichte vom Manager, der zwar fachlich kompetent ist, aber von der Führung seiner Mitarbeiter keine Ahnung hat. Ebenso darin: wohl einer der chaotischsten Arbeitsplätze überhaupt. Aktenberge türmen sich dort sowie Papierstapel, Kataloge, Produkte, Stifte, Essensreste und jede Menge Post-its. "Mit dem dort gehorteten Schriftverkehr könnten ganze Unternehmen gegründet werden. Statistiken, Kaufverträge, Wachsmalzeichnungen der lieben Kleinen, die mittlerweile ihren Abschluss auf der Uni machen." Das ist ein kleiner Ausschnitt aus dem Albtraum des Experten für Büroeffizienz Jürgen Kurz.
Was aber im ganzen Buch fehlt, ist der zwischenmenschliche Umgang der Kollegen, wenn Neid und Missgunst ins Büro einziehen: Machtspiele und Mobbing sind in dem Buch kein Thema. Dafür macht sich der Ethik-Professor Guido Palazzo über das Wesen des Bösen Gedanken und beantwortet die Frage, warum auch gute Manager unethisch handeln: Vor allem weil sie verlernt hätten, "durch einen möglichst großen Filter auf die Welt zu schauen und sich darüber bewusst zu sein, dass man an der Universität und im Job auf einen immer engeren Filter trainiert wird". Zum Beispiel auf Gewinnmaximierung.
Zusammenfassend wird hier jeder seine persönliche Horrorgeschichte finden - das Spektrum umfasst so gut wie jeden Geschäftsbereich. Gleichzeitig wird sich der Leser von diesem Erlebnis auch distanzieren können, denn Geschichten schaffen Abstand, wie der Herausgeber und Erfolgsautor des Buches, Stefan Frädrich, richtig sagt. Doch zuallererst bietet das Buch Lesevergnügen.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Stefan Frädrich:
Business Book of Horror.
Gabal Verlag, Offenbach 2008,
232 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-844-0
www.gabal-verlag.de

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: Business Book of Horror.. Gabal Verlag, Offenbach 1900, 232 Seiten, ISBN 978-3-89749-844-0

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Florian Michl
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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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